Die Bibel - Wissen auf einen Blick
mystischen Naturvorstellungen der Romantik. Runge schrieb Gedichte, war mit den Brüdern Grimm und Clemens Brentano befreundet und malte vor allem Kinderporträts. Dabei berief er sich auf die „reine Empfindung“ als Leitlinie seiner Kunst. So wundert es auch nicht, dass er für eines seiner wenigen religiösen Bilder eine Szene wählte, die so in der Bibel gar nicht geschildert wird: eine idyllische Rast der Heiligen Familie in einer Landschaft mit blühenden Bäumen.
Der Befehl des Engels
Die Flucht Josephs und Marias mit ihrem Kind nach Ägypten hat durchaus einen biblischen Ursprung. Sie kommt jedoch nur im Matthäusevangelium vor. Nachdem die Sterndeuter gegangen sind (siehe S. 100), erscheint Joseph im Traum ein Engel. Dieser befiehlt ihm, umgehend mit dem Kind und seiner Frau nach Ägypten aufzubrechen. Dort sollten sie so lange bleiben, bis die Gefahr vorüber sei. Als Grund für diese Maßnahme nennt der Engel Joseph, dass Herodes dem Kind nach dem Leben trachte. Trotz dieser bedrohlichen Situation berichtet Matthäus von keinerlei Dramatik. Er beschreibt nüchtern, dass Joseph tat wie ihm befohlen und noch in der Nacht mit seiner Familie aufbrach. Nicht einmal der Esel, den viele Künstler als Transportmittel für Maria und das Kind heranziehen, wird erwähnt.
Der Sohn aus Ägypten
Über den Aufenthalt in Ägypten berichtet Matthäus nur, dass die Heilige Familie bis zum Tod des Herodes – historisch gesehen war dies im Jahr 4. v. Chr. – in Ägypten blieb. Nachdem sich der Kindermord zu Bethlehem ereignet hat, erscheint Joseph abermals der Engel. Diesmal fordert er ihn auf, zurück nach Israel zu gehen, denn alle, die dem Kind nach dem Leben getrachtet hätten, seien nun tot. Joseph kehrt daraufhin mit seiner Familie nach Israel zurück. Als er aber hört, dass Archelaus, der Sohn des Herodes, seinem Vater als Herrscher in Judäa nachgefolgt ist, beschließt er, sich im galiläischen Ort Nazareth niederzulassen. Im Gegensatz zum Lukasevangelium, in dem Maria und Joseph von Nazareth nach Bethlehem reisen, kommt die Heilige Familie bei Matthäus nun erstmals nach Nazareth. Die Flucht nach Ägypten schildert Lukas nicht. Matthäus schreibt dieser Flucht jedoch noch eine tiefere Bedeutung zu als nur die Rettung vor Herodes. Dies alles sei geschehen, damit sich das Wort des Propheten Hosea erfüllte: „Aus Ägypten rief ich meinen Sohn.“
Die Flucht in den Apokryphen
In den apokryphen Evangelien finden sich einige fantasievolle Ausschmückungen der Flucht. Im Evangelium des Pseudo-Matthäus zum Beispiel beabsichtigen Maria und Joseph, die von einigen Kindern begeleitet werden, in einer Höhle zu rasten. Diese wird jedoch von Drachen bewohnt, die die Kinder bedrohen. Da steigt Jesus vom Schoß seiner Mutter, woraufhin die Drachen ihn anbeten. In einer weiteren Version der Fluchtgeschichte macht die Heilige Familie ermattet von der Sonnenhitze unter einer Palme Rast. Maria möchte gerne von den Früchten dieser Palme essen, doch diese hängen leider viel zu hoch. Da fordert das Jesuskind die Palme auf, sich zu neigen und Maria mit ihren Früchten zu erfrischen.
Die Ruhepausen auf der Flucht von Maria und Joseph bleiben in der Bibel zwar unerwähnt, waren aber dennoch ein beliebtes Motiv in der Malerei. Philipp Otto Runges (1777–1810) „Ruhe auf der Flucht“ (Öl auf Leinwand) aus dem Jahre 1805/06 ist heute in der Kunsthalle Hamburg zu sehen.
(c) Interfoto München
Das Massaker des Herodes
(Peter Paul Rubens, Der bethlehemitische Kindermord, zwischen 1636/1638)
Der Kindermord zu Bethlehem, eine der grausamsten Geschichten des Neuen Testaments, inspirierte die Kunstschaffenden Epochen übergreifend. Die frühesten Darstellungen finden sich in den Evangeliaren um das 10. Jahrhundert wie dem Trierer „Codex Egberti“. Rund 700 Jahre später nahm sich auch Peter Paul Rubens (1577–1640) mit seiner Begeisterung für bewegte Massenszenen des biblischen Themas an.
Weinen und Wehklagen
In der Bibel ist Matthäus der einzige Evangelist, der von der Ermordung der Kinder zu Bethlehem berichtet. Schließlich steht sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Besuch der orientalischen Sterndeuter bei der Heiligen Familie und der Flucht nach Ägypten. Obwohl die „Magier“ nicht zu Herodes zurückkehrten, hat dieser kaum daran gezweifelt, dass in Bethlehem tatsächlich ein Kind geboren wurde, das zum künftigen König von Judäa bestimmt sein sollte.
Herodes entschließt sich zu einer radikalen Lösung:
Weitere Kostenlose Bücher