Die Bibliothek der Schatten Roman
man mit dieser Methode auch keinen Lettore herausfiltern, der der Schattenorganisation unwissentlich Informationen zuspielte.
Im Raum breitete sich eine gewisse Mutlosigkeit aus. Trotzdem spürte Katherina die Bereitschaft der Anwesenden zur Zusammenarbeit. Die beiden Flügel beschuldigten sich nicht gegenseitig, und allen war bewusst, dass sie ein gemeinsames Problem hatten, für das es Lösungen zu finden galt. Letztendlich überzeugte jedoch keiner der Vorschläge, so dass sie mit ihrem Latein bald am Ende waren.
Schließlich wurde es einen Moment still, bis Iversen sich räusperte.
»Der Einzige, von dem wir mit Sicherheit wissen, dass er zur Schattenorganisation gehört, ist Remer«, stellte er fest.
»Dann lasst uns bei ihm anfangen«, schlug Clara vor. »Wissen Sie, wo sich dieser Remer aufhält?«
»Er ist ziemlich viel unterwegs«, erklärte Iversen. »Wir haben drei Privatadressen und eine ganze Reihe von Firmenanschriften gefunden.« Er seufzte. »Er könnte gut und gerne an 20 verschiedenen Orten sein, und das sind bloß seine möglichen Aufenthaltsorte in Dänemark.«
Clara sah sich um und breitete die Arme aus.
»An 20 Orten? Dafür wären wir mehr als genug. Wäre es möglich, jeden dieser Orte zu überwachen?«
»Wir haben sogar ein Foto von ihm«, fügte Katherina voller Elan hinzu.
»Und es sollte möglich sein, eine ausreichende Anzahl Autos zur Verfügung zu stellen«, warf Clara ein.
»Wir brauchen nur ein bisschen Geduld.«
Henning präsentierte sich wieder als Musterschüler.
»Es tut mir leid, das sagen zu müssen«, begann er mit einer Miene, als amüsierte ihn die Diskussion. »Aber keiner von uns ist Privatdetektiv. Ich kann mich natürlich irren, aber ich glaube nicht, dass es unter uns jemand gibt, der schon mal versucht hat, eine Person oder ein Auto zu verfolgen. Und wenn dieser Remer wirklich so niederträchtig ist, wie immer behauptet wird, müssen wir davon ausgehen, dass er eine Gruppe Amateure wie uns locker aussticht. Ich bin sicher, dass er unser Treiben sofort durchschauen wird und verschwindet, bevor wir etwas tun könnten. Was wir brauchen, ist irgendein Mittel, mit dem wir ihn aus seinem Versteck locken können.«
Clara und Iversen blickten sich an. Katherina sah die Resignation in ihren Blicken, als sie sich eingestehen mussten, dass Henning Recht hatte.
»Vielleicht kann ich helfen«, schlug Jon vor.
Alle Augen richteten sich auf Jon, der bislang kein einziges Wort gesagt hatte.
»Selbstverständlich«, antwortete Clara und nickte ihm ermunternd zu. »Aber wie?«
Jon zuckte mit den Schultern.
»Tja, ich meine, ich könnte ihn doch anrufen.«
SECHSUNDZWANZIG
R emer hier, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.«
Jon erkannte die Stimme auf dem Anrufbeantworter als die seines ehemaligen Mandanten und räusperte sich kurz, bevor der Piepton erklang.
»Hier ist Jon Campelli«, begann er und machte eine kurze Pause. »Ich finde, wir sollten uns treffen. Morgen um 15 Uhr in der Kneipe gegenüber vom Assistens-Friedhof. Kommen Sie allein, ohne Lesestoff jedweder Form.« Er legte auf und betrachtete Katherinas und Iversens Gesichter auf der anderen Seite des Kassentresens. Iversen nickte anerkennend. Jon war überrascht, dass es überhaupt einen Anschluss unter dieser Nummer gab. Die Visitenkarte, die Remer ihm bei ihrer ersten Begegnung überreicht hatte, hätte genauso gut gefälscht sein können.
»In der Kneipe am Friedhof?« Katherina zog die Augenbrauen hoch.
»Dort gibt es nur wenig Leser«, antwortete Jon mit einem schiefen Grinsen.
»Ich halte das Ganze nach wie vor für zu riskant«, meinte Iversen. »Der merkt doch gleich, dass wir ihm eine Falle stellen wollen.«
»Vielleicht«, gab Jon zurück. »Aber ich habe schließlich immer noch etwas, was Remer gerne haben würde.« Er wies mit ausgebreiteten Armen auf den Laden.
Iversen hatte den Teppich, der bei dem Brand zerstört worden war, austauschen lassen. Der neue weinrote Teppichboden wirkte seltsam deplatziert zwischen den alten Möbeln.
Aber bald schon würden Staub und Fußabdrücke ihn wieder zu einem selbstverständlichen Teil des Ladens machen und die letzte Spur des Anschlags auslöschen.
»Ganz davon abgesehen, was haben wir zu verlieren?«, fragte Jon.
»Immerhin handelt es sich hier um jemand, der nicht einmal vor einem Mord zurückgeschreckt ist«, gab Iversen zu bedenken.
Katherina sah besorgt aus. Sie stützte sich mit verschränkten Armen auf dem Tresen ab. Jon nickte ihr
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