Die Bibliothek der Schatten Roman
richtete seinen Blick zur Ladendecke und breitete resigniert die Arme aus.
»Vielleicht kommt er ja zurück«, meinte Katherina. »Vielleicht kommen sie alle zurück, wenn wir erst Beweise haben.«
Iversen nickte.
»Ich hoffe, du hast Recht.« Er klatschte in die Hände und nahm den nächsten Stuhl.
Katherina half ihm, die Stühle aufzustellen. Im Hauptraum des Ladens war Platz für etwa 40 Personen, so viele nahmen in der Regel auch immer an den Lesungen teil, die im Libri di Luca durchgeführt wurden. Es waren keine besonders bequemen Stühle, aber die Lesungen begeisterten immer so, dass das niemand auffiel. Ein Lettore nach dem anderen tauchte im Libri di Luca auf. Sie nickten sich zu, liefen zwischen den Regalen herum und studierten die Bücher. Katherina stand auf der Galerie und empfing den Strom der Titel, Autoren und Buchauszüge, die überflogen wurden. Sie vermischten sich rasch zu einem unverständlichen Geschnatter, als stünde der Laden voller Radios, die alle auf unterschiedliche
Frequenzen eingestellt waren. Sie dämpfte den Empfang und konzentrierte sich stattdessen auf die Gesichter der Anwesenden. Die meisten waren nervös, ihre Blicke huschten über die Buchrücken, ohne wirklich aufzunehmen, was sie vor sich hatten, und die wenigen, die etwas zu lesen versuchten, taten dies ohne Engagement oder Konzentration. Katherina erkannte Henning von dem Treffen mit den Sendern. Er war früh gekommen und trug einen grauen Anzug und ein weißes Hemd. Seine Haare wirkten etwas dunkler als bei ihrer letzten Begegnung. Als er sie sah, nickte er ihr höflich zu, und sie bemerkte, dass er darauf achtete, sie immer im Blickfeld zu haben, wo immer sie gerade stand. Vielleicht war sie aber auch einfach nur paranoid.
Jon betrat mit nachdenklicher Miene das Antiquariat. Er sah sich im Laden um und fing schnell Katherinas Blick auf. Das Lächeln, das er ihr zuwarf, raubte ihr fast den Atem. Auf dem Weg zur Treppe wurde er immer wieder von den Anwesenden angehalten, die ihn begrüßten und sich über die Aktivierung erkundigten. Als er endlich zu ihr kam, nahm er sie ohne zu zögern in die Arme und gab ihr einen langen Kuss, ungeachtet der Tatsache, dass sie am Rande der Galerie standen und von überall im Laden zu sehen waren.
Katherina wurde tiefrot, als Jon sie endlich losließ, und sie merkte, dass man ihnen verlegene Blicke zuwarf. Hennings Augen flackerten noch mehr als sonst, und auf seinen Lippen zeichnete sich ein kleines, nachsichtiges Lächeln ab.
»Konntest du trainieren?«, erkundigte sich Katherina, als sie sich wieder gesammelt hatte.
Jon nickte und wollte etwas sagen, wurde aber unterbrochen, als die Tür des Antiquariats aufging und eine Gruppe von etwa zehn Empfängern eintrat. Hinter ihnen folgte das Ehepaar von dem Treffen in der Østerbro-Bibliothek. Außer den beiden und Henning hatte Katherina einen Mann mittleren Alters erkannt, den sie von einem der Leseabende zu kennen
glaubte. Mit Iversen und Jon machte das gerade mal sechs Sender. Nicht gerade überwältigend im Vergleich mit den gut 25 Empfängern, die inzwischen eingetroffen waren.
Als sie dies Jon gegenüber erwähnte, nickte er ernst.
»Paw kommt nicht?«
»Er ist bei Kortmann geblieben«, sagte Katherina.
Jon wirkte weder überrascht noch verärgert.
»Und was ist mit der Bibliothekarin?«, fragte er und beugte sich über das Geländer, um einen Blick auf die Menschen im Erdgeschoss zu werfen.
»Ich glaube nicht, dass sie kommt«, antwortete Katherina. »Aber Iversen meinte, es gäbe noch ein paar Unentschlossene.«
Jon nickte.
»Lass uns hoffen, dass sie doch noch kommt. Eine Historikerin könnten wir gut gebrauchen.«
Katherina wollte fragen, wie er das meinte, als Clara zur Tür hereinkam und von Iversen überschwänglich begrüßt wurde.
»Wir sollten lieber nach unten gehen«, schlug Jon vor und zog sie hinter sich her zur Treppe.
Unten begannen sich die Anwesenden zu setzen. Die Gruppierungen der Sender und Empfänger waren deutlich zu erkennen, und nervöse Blicke huschten zwischen den Fraktionen hin und her. Katherina und Jon suchten sich zwei Plätze in der ersten Reihe. Clara und Iversen standen noch hinter dem Kassentisch und unterhielten sich. Von ihrem Platz aus konnten Jon und Katherina hören, dass Iversen ihr von seinem Versuch berichtete, die Sender zum Kommen zu animieren. Clara sah plötzlich sehr müde aus und zuckte resigniert mit den Schultern.
Iversen ging zur Tür und blickte durch die Scheibe,
Weitere Kostenlose Bücher