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Die Bibliothek der Schatten Roman

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Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikkel Birkegaard
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Bedeutung, und er hatte das Gefühl, unbesiegbar zu sein.
    »Und, wie lautet mein Rekord?«
    Remer lachte.
    »Ich kann Ihnen keine genaue Zahl nennen, weil Sie die Skala gesprengt haben. Das hat noch keiner geschafft.«
    »Freut mich, wenn ich zu Ihrer Unterhaltung beitragen konnte«, sagte Jon sarkastisch. »Kann ich jetzt gehen?«
    Remer lachte wieder.
    »Aber Sie sind doch gerade erst gekommen.« Sein Lächeln verschwand, und die grauen Augen starrten Jon in einer Mischung aus Wachsamkeit und Erwartung an. »Nach jemand wie Ihnen haben wir schon lange gesucht, Campelli. Sie sind derjenige, der uns auf das nächste Niveau heben kann.«
    Jon schüttelte den Kopf.
    »Sie sind geisteskrank. Ich werde Ihnen niemals helfen.«
    »Seien Sie sich da nicht so sicher«, sagte Remer. »Ich bin überzeugt, dass Sie das ganz anders sehen werden, wenn Sie erst gehört haben, was ich Ihnen als Gegenleistung anzubieten habe.«
    Jon schnaufte verächtlich.
    »Ansonsten gibt es andere Methoden«, fuhr Remer unbeeindruckt fort. »Methoden, die nicht unbedingt Ihre Freundin einbeziehen, falls sie uns wider Erwarten doch entkommen sollte.« Er seufzte. »Aber zwingen Sie uns bitte nicht dazu. Die beste Lösung ist und bleibt, sich uns freiwillig anzuschließen.«
    Die Art, in der Remer seine Drohung vorbrachte, hatte etwas Beunruhigendes. Er drohte Jon weder physisch, noch wurde er aggressiv, eher hatte man das Gefühl, als sei er ein bisschen traurig.
    Jon ballte die Hände zu Fäusten. Egal, welche Trümpfe Remer noch im Ärmel hatte, er würde sich diesem Mann, der für
die Morde an seinen Eltern verantwortlich war, niemals ergeben.
    »Ich muss Sie enttäuschen«, presste Jon zwischen den Zähnen hervor. »So weit wird es nicht kommen, nie.«
    Remer rief etwas durch die offene Tür und trat gleich darauf einen Schritt auf Jon zu.
    »Sie sind erschöpft, Campelli«, sagte er mitfühlend. »Nach einem erholsamen Schlaf werden Sie Ihre Meinung sicher ändern, warten Sie’s ab.«
    Ein großer Mann mit dunklen Haaren und beeindruckendem Kiefer betrat den Raum. Er reichte Remer etwas, woraufhin dieser mit einem Nicken auf Jons freien Arm deutete. Der Mann war beim Stuhl und hatte Jons Arm gepackt, ehe dieser ihn wegziehen konnte, und drückte ihn mit eisernem Griff auf die Armlehne. Der Gegenstand in Remers Hand erwies sich als Spritze. Langsam ging er auf Jon zu und stach die Nadel in seinen noch immer mit Klebeband gefesselten Arm.
    »Ein wenig Ruhe wird Ihnen guttun«, wiederholte er lächelnd.
    Jon versuchte, dagegen anzukämpfen, aber in seinem ohnehin schon ausgelaugten Zustand schaffte er es nicht, sich länger wachzuhalten.
     
    Von seiner Mutter hatte er zuletzt als Junge geträumt. Damals waren es Verlustträume gewesen. Sie saß in dem Zug, den er haarscharf verpasst hatte, oder fiel vor seinen Augen in tiefe Abgründe, ohne dass er eine Chance hatte, ihr zu helfen. In seinen Träumen war Jon immer allein mit ihr, und immer endeten sie damit, dass sie ihn auf die eine oder andere Art verließ, meistens endgültig. Ein paar dieser Träume hatte er bereits vor ihrem Tod gehabt, sie waren wie Vorzeichen und hatten dazu geführt, dass er lange glaubte, seine Träume seien die eigentliche Ursache für ihren Tod gewesen. Obgleich er in der Regel zutiefst verzweifelt aus ihnen erwachte, dachte
er sich später, dass die Träume ihm letzten Endes geholfen hatten, über den Verlust hinwegzukommen. Als hätten sie die scharfen Kanten seiner Trauer abgeschliffen. Irgendwann waren die Albträume dann ganz verschwunden. Danach hatte er nie wieder von seiner Mutter geträumt.
    Jetzt war sie plötzlich wieder da, gemeinsam mit Luca. Sie feierten Jons Geburtstag. Der Tisch war für ein typisches Kinderfest gedeckt, mit Papiertischtuch, Flaggen und Luftballons. Aber in dem Kuchen steckten viel mehr Kerzen, als er zählen oder auspusten konnte. Nachdem er eine Weile vergeblich versucht hatte, sie auszublasen, erbarmten sich seine glücklichen Eltern und überreichten ihm ein riesiges Paket. Es war in blaues Papier eingeschlagen und mit einem Silberband verschnürt. Er riss begierig das Papier herunter. Unter der blauen Schicht war eine rote und unter der roten eine gelbe. So ging es immer weiter, während Jon zunehmend frustriert und aggressiv das Papier abriss und Marianne und Luca ihn die ganze Zeit gut gelaunt anfeuerten, als wäre er ganz kurz vorm Ziel. Gerade als er es aufgeben wollte, erreichte er die letzte Papierlage. Um ihn herum

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