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Die Bibliothek der Schatten Roman

Die Bibliothek der Schatten Roman

Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikkel Birkegaard
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türmten sich die Papierberge so hoch, dass er seine Eltern nicht mehr sehen konnte. Auch ihre Anfeuerungsrufe drangen nur noch sehr gedämpft zu ihm, wie durch eine bauschige Decke. Nachdem er die letzte Schicht Papier abgerissen hatte, hielt er ein Buch in Händen.
    Don Quijote .
    Er hatte noch andere Träume, viel unzusammenhängendere und diffusere Träume. Mehrmals sah er sich selbst in einem Krankenhausbett, wo ihn verschiedene Leute besuchten. Mal war es Katherina, dann wieder Iversen, Remer oder andere Leute, die er nicht kannte. In einem Traum ging er ohne Sauerstoffflasche tauchen, und der Wasserdruck drohte seinen Schädel zu sprengen, je tiefer er kam. Er verlor das Bewusstsein und sank wie ein Stein in die Tiefe.
    Als Jon aus seinen Träumen erwachte, lag er tatsächlich in
einem Krankenhausbett. Er war unerträglich durstig, und seine Zunge war trocken und geschwollen. Als er den Kopf zur Seite drehte, sah er ein Nachtschränkchen, auf dem ein Glas Wasser stand, aber seine Handgelenke waren mit Lederriemen am Metallrahmen des Bettes festgezurrt, so dass er nicht danach greifen konnte.
    Jon untersuchte verzweifelt die Fesseln, als hoffte er, sie mit reiner Willenskraft öffnen zu können, aber sie saßen felsenfest und gaben keinen Millimeter nach, sosehr er auch an ihnen rüttelte. Sein Blick glitt über seinen Arm und blieb in der Ellenbogenbeuge hängen. Am rechten Arm waren fünf Einstiche zu erkennen, am linken sieben.
    Wie lange war er weggetreten gewesen?
    Er fühlte sich müde und ausgeruht zugleich, und als er das Kinn auf die Brust sinken ließ, merkte er, dass er frisch rasiert war.
    Der Raum, in dem er lag, verriet nicht viel. Außer dem Bett und dem Nachtschränkchen gab es kein Inventar. Das Zimmer bot Raum für mindestens drei weitere Betten, war aber vollkommen leer, was von den weißen Wänden und dem roten Steinfußboden noch verstärkt wurde. Vor dem Fenster bauschte sich eine weiße Gardine, die von der Decke bis zum Boden reichte. Kräftiges Sonnenlicht versuchte den Stoff zu durchdringen. Trotz des offenen Fensters und des dünnen, weißen Lakens, mit dem er zugedeckt war, war ihm erstaunlich warm.
    Die einzige Tür des Raumes befand sich in der Wand hinter dem Fußende des Bettes. Ein Guckloch starrte ihn anklagend von der klinkenlosen Tür an, die den Nieten nach zu urteilen wohl aus Metall war.
    Jon schoss durch den Kopf, dass er vielleicht in die Psychiatrie eingeliefert worden war und die Erlebnisse der letzten Wochen Halluzinationen waren. Das hörte sich jedenfalls sinnvoller an als alles, was er in der letzten Zeit erlebt hatte.
Doch diese Illusion zerplatzte jäh, als die Tür aufgeschlossen wurde und Remer eintrat.
    »Campelli«, begrüßte er ihn mit einem Lächeln. »Wie schön, Sie ausnahmsweise mal bei Bewusstsein anzutreffen.«
    Jon wollte etwas erwidern, bekam aber keine Silbe über die trockenen Lippen. Remer sah, was ihm fehlte, trat an das Nachtschränkchen, nahm das Glas und bot Jon etwas zu trinken an. Das Wasser war abgestanden und warm, aber Jon nahm es dankbar an und leerte es in einem Zug. Dann ließ er den Kopf zurück auf das Kissen sinken und nahm sich Zeit, Remer zu betrachten. Irgendetwas war anders. Die Schrammen in Remers Gesicht waren verschwunden, und sein Teint hatte eine andere Farbe als bei ihrer letzten Begegnung. Der leichte Anzug, den er trug, war hell und fiel locker, ein typischer Sommeranzug.
    »Wie lange habe ich geschlafen?«, presste Jon mühsam hervor.
    Remer zuckte mit den Schultern.
    »Drei, vier Tage vielleicht«, antwortete er.
    Jon schüttelte den Kopf. Das passte nicht zusammen. Das Sonnenlicht, die Wärme, Remers Kleidung. Die zwölf Einstiche in seinen Ellenbeugen sagten ihm nichts. Er hatte keine Ahnung, was sie ihm gespritzt hatten oder wie lange eine Spritze wirkte.
    Remer lächelte über seine Verwirrung und ging zu der offenen Tür, von wo aus er etwas in den angrenzenden Raum rief, das in Jons Ohren wie Türkisch oder Arabisch klang.
    »Geht es Ihnen gut?«, fragte Remer, als er sich wieder zum Bett umdrehte. »Tut Ihnen irgendetwas weh? Haben Sie Schmerzen?«
    Jon schüttelte erneut den Kopf. Sein Rücken tat weh, und er fühlte sich schläfrig, was nach mehreren Tagen im Bett nicht weiter verwunderlich war. Außerdem wollte er Remer gegenüber auf keinen Fall Schwäche zeigen.

    »War es nötig, mir Spritzen zu verpassen?«, fragte er mit einem Nicken auf die Einstiche in seinem linken Arm.
    »Leider ja«, antwortete

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