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Die Bibliothek der Schatten Roman

Die Bibliothek der Schatten Roman

Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikkel Birkegaard
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Platz am Tisch aus konnte Katherina sehen, dass es sich um eine zerlesene Taschenbuchausgabe handelte. Aber sie konnte nicht wahrnehmen, wie Jon den Titel las. Die Zelle war offensichtlich abgeschirmt.

    Mit einer Hand packte Paw Jons linken Unterarm und presste ihn gegen die Armlehne, während er mit seinem Messer die Plastikstrips durchtrennte. Als die Fesseln gelöst waren, trat er rasch zurück, um aus Jons Reichweite zu gelangen.
    Jon schüttelte seinen befreiten Arm. Dann fingerte er an den Strips herum, die den anderen Arm fesselten, konnte sie aber nicht lösen.
    Paw lachte.
    »Vergiss es, Jon. So gehen die nicht auf.« Er drehte sich um und verließ den Raum, gefolgt von Jons wütendem Blick.
    »Sie dürfen gerne anfangen«, sagte Remer.
    Jon sah zur Scheibe, und Katherina nickte ihm kurz zu. Paw kam zurück ins Büro und stellte sich auf die andere Seite des Schreibtisches.
    »Haben Sie irgendwelche Lieblingsseiten?«, fragte Jon verächtlich.
    Remer schüttelte den Kopf.
    »Wo Sie anfangen, ist vollkommen egal.« Er drückte ein paar Tasten, und ein paar Kurven erschienen auf dem Bildschirm, die sich langsam von rechts nach links zogen. Sie zeigten keine nennenswerten Ausschläge.
    Jon legte das Buch in die gefesselte Hand, damit er mit der linken die Seiten umblättern konnte. Er schlug es in der Mitte auf und begann zu lesen.
    Für Katherina war es seltsam, Jon lesen zu hören. Bis jetzt war sie immer bei ihm gewesen, wenn er las, und hatte alles empfangen, doch jetzt hörte sie nur seine Stimme, während sich das Buch selbst still verhielt. Wie wenn man einem Hörbuch lauschte, einem Text, der der Energie beraubt worden war, die der Leser oder das Buch selbst ihm geben konnten. Jon war auch so ein begnadeter Leser, und unter anderen Umständen hätte sie die Geschichte sicher genossen. Mit aller Kraft presste sie noch einmal ihre Füße gegen das Tape. Plötzlich spürte sie einen kleinen Ruck, als das Plastik nachgab, und
sah erschrocken zu den anderen, doch die starrten alle nur auf ihren Bildschirm und bemerkten nichts.
    Die Kurven begannen sich zu bewegen. Ein grüner Strich ganz oben auf dem Bildschirm fing an, wie eine Sinuskurve auszuschlagen. Katherina nahm an, dass dieser Graph den Puls der Schwingungen darstellte, mit dem ein Sender las. Unter der grünen Linie stieg eine rote immer weiter an, je besser Jon in den Text fand.
    »Fünf Komma eins in drei Minuten«, sagte Remer beeindruckt.
    Paw schnaubte.
    Die rote Kurve flachte ab und stabilisierte sich auf einem Niveau knapp über der Hälfte der Skala.
    »Sieben«, konstatierte Remer, hob den Zeigefinger und legte ihn nachdenklich an sein Kinn, wobei er Jon betrachtete. »Hält er seine Fähigkeiten zurück?«
    »Na, ein Feuerwerk ist das auf jeden Fall noch nicht«, sagte Paw.
    Remer beugte sich zum Mikrofon vor, aber gerade als er etwas sagen wollte, änderte die grüne Sinuskurve ihr Muster. Die Schwingungen nahmen an Geschwindigkeit zu wie ein Metronom, das man höher gedreht hatte. Die rote Linie schoss fast zeitgleich senkrecht in die Höhe und lag nun am oberen Rand der Skala.
    »Zehn«, platzte Remer verblüfft heraus.
    Jon schien noch immer unbeeindruckt. Nur die Schweißtropfen, die sich langsam auf seiner Stirn bildeten, verrieten, dass er sich anstrengte.
    Die Leuchtstoffröhren an der Decke über ihm flackerten ein paar Mal unregelmäßig, ehe eine plötzlich verlosch und die anderen beiden heller wurden. Aber um Jon herum schien das Licht schwächer zu werden. Langsam bildete sich ein dunkles kugelförmiges Gebilde um Jon herum, in dem es dunkler war als im Rest des Raumes und über dessen Oberfläche Funken
und kleine Lichtblitze zu huschen schienen. Dann wurde Jon ganz von dem Dunkel und den grellen Entladungen eingehüllt.
    »Scheiße!«, rief Paw auf einmal, »er ist aus der Skala raus.«
    Katherina warf einen Blick auf den Bildschirm. Die Sinuskurve schwang noch immer regelmäßig, jetzt aber in einer schnelleren Frequenz als zuvor. Die rote Kurve war verschwunden. Mit einer drehenden Bewegung befreite sie ihre Füße vom Rest des Tapes und stellte sie auf den Boden. Das Licht hinter der Scheibe schien jetzt von der dunklen Kugel angezogen zu werden wie von einem schwarzen Loch. Blitze und Funken glitten hektisch über die Oberfläche, und einige entluden sich in den Raum hinein zu den Gegenständen und Geräten um Jon herum. Funken tanzten durch die Luft, bis alles Licht wie von einem gewaltigen Sog in die Kugel gezerrt

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