Die Bibliothek der Schatten Roman
erstarrte.
»Es ist wichtig, dass Sie für heute Abend gut vorbereitet sind, Campelli«, beharrte Remer. »Nicht nur zu Ihrem eigenen Besten.«
Jon stutzte. In Remers Stimme hatte sich ein drohender Unterton geschlichen, der Jon gar nicht gefiel.
»Alles, worum ich Sie bitte, ist eine halbe Stunde, um meine Gedanken zu sortieren«, erklärte Jon.
»Bedaure«, sagte Remer eilig. »Wir haben noch eine Menge zu erledigen.« Er nickte dem Mann an der Tür kurz zu.
Jon erhob sich von dem Bett.
»Ich glaube, Sie haben nicht verstanden, was ich gesagt habe«, setzte Jon an, wurde aber von dem Wachmann aufgehalten, der mit zwei Schritten bei ihm war, ihn am Arm packte und zurück zum Bett schob. Jon schaute vorwurfsvoll auf seinen Arm.
»Das ist nun wirklich nicht nötig«, sagte er. »Ich möchte nur…«
»Es ist nötig«, fiel Remer ihm ins Wort. »Sie werden schon sehen.«
Ein zweiter Wachmann betrat das Zimmer und ging auf die andere Seite des Bettes. Ruhig, aber bestimmt verfrachteten die beiden Männer Jon ins Bett. Er versuchte sich dagegenzustemmen, aber sie waren zu stark. Gleich darauf lag er mit einem Lederriemen festgeschnallt auf dem Bett und konnte sich nicht mehr rühren.
»Was soll das?«, wollte Jon wissen. »Es gibt keinen Grund, mich zu fesseln. Erklären Sie mir das.«
»Das werde ich«, sagte Remer und nickte einem der Wachmänner zu.
»Nein«, konnte Jon gerade noch rufen, bevor der Wachmann ihm den Mund mit Klebeband zuklebte.
Es war notwendig.
Das wurde Jon nun auch klar. Er hätte sich von Anfang an auf Remers Urteilskraft verlassen und Katherinas Macht nicht unterschätzen sollen. Die Lettori vom Libri di Luca waren Meister darin, Zwietracht und Misstrauen unter den Mitgliedern
des Ordens zu säen, wenn diese sich nicht vorsahen. Ohne Remers geistesgegenwärtiges Eingreifen wäre es ihnen wahrscheinlich gelungen, Jon so durcheinanderzubringen, dass er sich nicht nur selbst die Zukunft verbaut hätte, die ihm der Orden bot, sondern sich vielleicht sogar gegen ihn gewendet hätte.
Nach etwa einer Stunde Lesen hatten sie Jon von dem Tape und den Gurten befreit. Er war jetzt ganz ruhig, beinahe entspannt und bekam die Erlaubnis zu schlafen, bis Remer ihn weckte. Draußen war es inzwischen dunkel, und Poul Holt war zurückgekehrt. Er unterzog Jon einer ärztlichen Routineuntersuchung, leuchtete ihm in die Augen, guckte in seinen Hals und kontrollierte seine Reflexe.
»Sie sind in Topform«, stellte er abschließend fest und lächelte Jon an.
Remer, der sich im Hintergrund gehalten hatte, trat ans Bett.
»Sie müssen entschuldigen, dass wir Sie festgeschnallt haben«, sagte er, und es klang aufrichtig bedauernd. »Aber wir hatten keine andere Wahl. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür.«
Jon nickte.
»Ich weiß, dass es nötig war«, meinte er. »Um ein Haar hätte ich mich ihrem Einfluss gebeugt. Es wird nicht wieder vorkommen.«
»Da bin ich sicher«, nickte Remer zufrieden. »Und keine Sorge, heute Abend sind Sie unter Freunden.«
Jon machte sich keine Sorgen. Der Nebel, in dem er sich vor wenigen Stunden beinahe verirrt hätte, war mit solcher Wucht weggeblasen worden, dass er kaum noch wusste, worin die Gefahr eigentlich bestanden hatte.
»Apropos heute Abend«, sagte Remer und zeigte auf einen schwarzen Kaftan. »Probieren Sie mal, ob er passt.«
Jon stieg aus dem Bett und hielt sich das weite Kleidungsstück
vor den Körper. Es war komplett schwarz bis auf die weißen Schlangen, die sich um die Ärmelbündchen und den unteren Saum schlängelten.
»Gehen wir zu einer Togaparty?«, fragte Jon.
Remer lachte.
»So etwas in der Art.«
Jon zog den Kaftan an. Er war aus Seide und wurde mit einer dicken Kordel, ebenfalls aus Seide, zugebunden. Selbst mit normaler Kleidung darunter war er sehr großzügig geschnitten, und als Jon die Kapuze aufsetzte, verhüllte sie sein Gesicht. Es war ein angenehmes, sicheres Gefühl. Lächelnd stellte er fest, dass er sich wie ein Mönch vorkam.
»Perfekt«, meinte Remer mit zufriedenem Nicken.
»Und Sie?«, fragte Jon verlegen.
»Keine Sorge«, sagte Remer. »Wir werden alle solche Umhänge tragen, mit dem Unterschied, dass unsere weiß sind.«
»Bin ich der Einzige, der Schwarz trägt?«
»Selbstverständlich«, antwortete Poul Holt. »Schließlich sind Sie unser Ehrengast.«
SIEBENUNDDREISSIG
I hr Schweine«, blaffte Paw sie von seinem Stuhl an. »Das werdet ihr noch bereuen.«
Henning und Muhammed hatten ihn mit einem
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