Die Bibliothek der Schatten Roman
erwiesen hatten. Die Frage war nur, ob die Disposition stimmte und das alles mit legalen Mitteln erreicht worden war. Die Grenze war haarfein.
Es klopfte an der offenen Tür. Jenny kam mit Kaffee und Wasser herein, stellte das Tablett auf dem Tisch ab und verschwand
wieder, ohne etwas zu sagen. Kurz darauf kam sie zurück, diesmal mit Remer.
Der Mann war um die 50 und hatte einen grauen Bürstenschnitt, der ihn wie einen strengen Oberst aussehen ließ. Wären nicht seine lebhaften, freundlichen Augen gewesen, hätte man die Entstehung der Gerüchte schon allein von seinem Äußeren ableiten können. Doch seine Augen milderten die strengen Gesichtszüge ab, wie auch das breite Lächeln und die auffallend weißen Zähne.
»Remer«, stellte er sich vor und reichte Jon die Hand.
»Jon Campelli«, erwiderte Jon und nahm seine Hand.
Remer hatte einen festen Händedruck und sah Jon direkt in die Augen.
»Campelli?«, fragte er. »Ist das ein italienischer Name?«
»Richtig«, antwortete Jon. »Mein Vater war Italiener. Wollen Sie sich nicht setzen?«
»Ich stehe lieber«, antwortete Remer wie nebenbei. »Hübsches Fleckchen Erde, dieses Italien. Komme ich gerade her. Genauer gesagt, aus Sizilien.«
»Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten?« Jon zeigte mit einer einladenden Armbewegung auf die Erfrischungen auf dem Sitzungstisch.
»Nein danke«, lehnte Remer ab. »Ich werde nicht lange bleiben.«
»Dann sollten wir vielleicht gleich loslegen …«, schlug Jon freundlich vor und nahm am Tisch Platz.
»Campelli«, wiederholte Remer leise und sah an die Zimmerdecke. »Der Name kommt mir so bekannt vor.«
Jon räusperte sich und blätterte in den Unterlagen, die vor ihm lagen.
»Ich hätte da eine ganze Reihe Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Kauf der Vestjysk Rørarbeide 1992 …«
»Bücher«, fiel Remer ihm unvermittelt ins Wort und schnipste mit den Fingern. »Das war der mit den Büchern.
Luca hieß er.« Er richtete seinen Blick auf Jon. »Sind Sie irgendwie mit Luca verwandt?«
»Ja, Luca war mein Vater«, antwortete Jon. »Er ist vor einer Woche gestorben.«
Remers Augen weiteten sich.
»Das tut mir leid«, sagte er aufrichtig. »Was für ein trauriges Zusammentreffen. Er besaß einen Buchladen, nicht wahr?«
Jon nickte.
»Das Libri di Luca in Vesterbro.«
»Ich war schon mal dort«, erklärte Remer, während er im Raum auf und ab ging. »Ich hatte den Namen Ihres Vaters von einem meiner Geschäftsfreunde.«
Jon sah den Mann forschend an, der an den Wänden entlangschlenderte und sich die Bilder ansah. Er trug eine schwarze Jacke, ein weißes Hemd ohne Schlips und dunkle Jeans. Eine etwas ungewöhnliche Aufmachung für eine offizielle Besprechung, aber offensichtlich hatte er gar nicht vor, über den Fall zu reden. Ob er sich allerdings tatsächlich für Jons Familienverhältnisse interessierte oder ihn bloß testen wollte, wusste nur Remer allein.
»Dieser Geschäftsfreund besitzt selbst ein paar Buchläden«, fuhr er fort. »Die ziemlich erfolgreich sind, wie man sagen muss. Man könnte es fast als ein Buchimperium bezeichnen, das Internetbuchhandel, Buchclubs und Kataloge vereint.« Er lachte abgehackt. »Wenn man bedenkt, wie oft das Buch schon totgesagt wurde, lässt sich doch erstaunlich viel Geld damit verdienen.«
Er unterbrach seine Wanderung und legte die Hände auf die Rückenlehne des Stuhls, der gegenüber von Jon stand. Dann beugte er sich vor.
»Und, Jon, wie sehen Ihre Pläne aus?«
Der Ausdruck in seinen Augen wechselte eine Sekunde vom freundlichen, spielerischen Blick zu forschender Schärfe.
Jon hob instinktiv die eine Hand und rückte den Schlips zurecht.
»Als Erstes würde ich gerne …«, begann er, als Remer ihm erneut ins Wort fiel.
»Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen, Jon?« Er wartete die Antwort nicht ab, richtete sich auf und verschränkte die Arme, bevor er fortfuhr. »Was wird mit dem Laden geschehen?«
»Ähm, mit dem Antiquariat?«, fragte Jon. »Das habe ich mir noch nicht überlegt.«
»Aber es gehört jetzt doch Ihnen? Luca hat Ihnen das Geschäft doch vererbt?«
»Da ich der einzige Verwandte bin, ja.«
»Gestatten Sie mir einen Vorschlag.« Er legte eine Hand an den Hals und klopfte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger gegen das Kinn. »Ich könnte Sie mit meinem Freund bekannt machen, dem Buchhändler. Er würde Ihnen mit Sicherheit ein interessantes Angebot für das Libri di Luca machen.« Er grinste breit. »Es sei denn,
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