Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bibliothek der Schatten Roman

Die Bibliothek der Schatten Roman

Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikkel Birkegaard
Vom Netzwerk:
kreative Lösungen vorzog, die - ohne direkt illegal zu sein - die Verteidigung verkürzen konnten. Am besten wäre es, zwei Monate Aufschub durchzusetzen, da dadurch bereits zwei Anklagepunkte wegen Verjährung wegfallen würden. Sicher keine geniale Lösung, aber sehr zielorientiert, da sie so die beiden größten Knackpunkte des Falls vermeiden konnten, nämlich Remers Rolle und Verantwortung in den ersten Gesellschaften, die er gekauft hatte. Für einen solchen Aufschub brauchte man allerdings einen triftigen Grund, und noch viel besser wäre es, den Staatsanwalt selbst dazu zu bringen, diesen Aufschub zu beantragen. Dafür mussten sie allerdings neue Informationen auf den Tisch legen.
    Jon schob die Unterlagen zurück in die Klarsichthülle und verließ das Büro mit dem Strategieplan unter dem Arm.
     
    »Campelli«, rief Halbech, als Jon sein Büro betrat. »Setzen Sie sich.« Er zeigte auf einen der beiden Chesterfieldsessel, die vor seinem Schreibtisch standen.
    Jon nickte und setzte sich.
    »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Halbech routinemäßig.
    »Ja, danke.«
    »Und die Sache mit Ihrem Vater? Alles gut überstanden?«
    »Mehr oder weniger. Es gibt nur noch ein paar Dinge zu regeln.«
    Halbech nickte.
    »Dann sehen Sie zu, dass Sie das tun, Campelli.« Er lächelte.
»Es gibt nichts Störenderes als ungelöste Probleme. ›One touch‹ ist mein Motto: Bringen Sie jede Aufgabe so schnell wie möglich zu Ende und schieben Sie nichts auf die lange Bank. Sich wiederholt mit der gleichen Aufgabe zu beschäftigen ist vergeudete Zeit und wirkt sich negativ auf alle übrigen Arbeiten aus.«
    »Kann schon sein«, meinte Jon.
    »Was ist mit Remer?«
    »Stecke mittendrin«, antwortete Jon und klopfte auf die Mappe auf seinem Schoß. »Ich habe…«
    »Er kommt um neun Uhr«, fiel Halbech ihm ins Wort und sah ihn forschend an. »Er will mit Ihnen sprechen.«
    »Okay«, platzte Jon verdutzt heraus und warf automatisch einen Blick auf die Uhr. Bis neun Uhr waren es noch 15 Minuten.
    »Ich nehme an, dass er seinen neuen Verteidiger kennenlernen will. Grillen Sie ihn«, sagte Halbech mit einem Funkeln im Auge.
    Jon zog die Schultern hoch.
    »Es ist sein Geld.«
    »Ganz genau«, sagte Halbech und beugte sich vor. »Aber nutzen Sie das Treffen bestmöglich. Wir kriegen ihn nicht besonders häufig zu Gesicht, und wenn ich mich nicht irre, ist er schon wieder auf dem Weg in den Skiurlaub.«
    Er erhob sich von seinem Schreibtischstuhl und zog sich die Jacke über, die über der Rückenlehne hing.
    »Ich kann leider nicht an dem Gespräch teilnehmen. Aber mich will er ja auch nicht kennenlernen.«
    Jon erhob sich ebenfalls.
    »Ich werde Jenny bitten, das Protokoll zu schreiben«, sagte er.
    »Schreiben Sie es selbst«, empfahl Halbech. »Remer kann es gar nicht leiden, wenn zu viele Unbeteiligte bei den Besprechungen dabei sind. Und es ist schließlich…«

    »Sein Geld«, beendete Jon den Satz.
    Sie gingen gemeinsam ins Vorzimmer.
    »One touch«, wiederholte Halbech, klopfte Jon zum Abschied auf die Schulter und war weg.
    Jon wies Jenny an, ein Sitzungszimmer vorzubereiten und Erfrischungen bereitzustellen, ehe er sich wieder in die Remer-Zelle einschloss, um die Sachen zusammenzusuchen, die er brauchte.
    Über Remer kursierten zahllose haarsträubende Gerüchte, aber Jon ging davon aus, dass es sich bei den meisten eben nur um üble Gerüchte handelte, die keinen anderen Zweck hatten, als die Jurastudenten einzuschüchtern. Remer machte sich nichts aus Anwälten, so viel stand fest, und er war meist anderer Meinung als sie, wie ein Fall angegangen werden sollte. Trotzdem glaubte Jon nicht, dass er wirklich handgreiflich werden konnte, wenn auch eine der Geschichten, die auf den Fluren kursierten, erzählte, dass Remer in der Hitze des Gefechts einmal seinen Verteidiger am Schlips gepackt und ihn kräftig durchgeschüttelt hat, um schließlich den Schlips unmittelbar unter dem Knoten abzuschneiden.
    Der Stapel mit den notwendigen Mappen und Unterlagen wuchs, so dass Jon schließlich auf einen Servierwagen zurückgriff, um den ganzen Haufen ins Sitzungszimmer zu transportieren. Halbech hatte es auf den Punkt gebracht: Es ging darum, die Zeit mit Remer bestmöglich zu nutzen, darum wollte er alles griffbereit haben. Die Liste mit seinen Fragen an Remer war lang. Es gab etliche dubiose Geldanlagen, Daten und Handlungsabläufe, die nicht in Deckung zu bringen waren und die sich im Nachhinein als unglaublich erfolgreich

Weitere Kostenlose Bücher