Die Bibliothek der Schatten Roman
vorsichtig auf eine Bahre und trugen ihn in den Rettungswagen. Katherina und Jon folgten ihnen.
»Ich fahre mit ins Krankenhaus«, sagte Katherina zu Jon. »Bleibst du hier?«
Er nickte.
»Natürlich.«
Katherina setzte sich in den Rettungswagen, die Türen wurden geschlossen, und der Wagen setzte sich in Bewegung. Iversen öffnete die Augen gerade noch rechtzeitig, um die rauchende Fassade des Ladens verschwinden zu sehen.
Zwei Stunden später stand Katherina wieder vor dem Libri di Luca. Die Fenster waren mit Holzplatten verkleidet und die Fassade und der Bürgersteig noch immer nass von den abschließenden Löscharbeiten der Feuerwehr.
Im Krankenhaus waren nur einige Brandwunden und tiefe Schnittverletzungen durch die Glasscherben festgestellt worden. Sie wollten ihn trotzdem zur Beobachtung dabehalten, was bei dem Schock, den er erlitten hatte, sicher auch richtig war. Im Laufe der langen Wartezeit hatte Katherina keinen zusammenhängenden Satz aus ihm herausbringen können.
Katherina hatte es eilig, die Klinik zu verlassen. Zu viele Erinnerungen lauerten dort, unglückliche Bilder aus ihrer Kindheit. Sie fuhr mit einem Taxi von der Klinik zurück zu dem traurig aussehenden Laden. Die Fassade glich der eines verrammelten und heruntergekommenen Abbruchhauses.
Selbst draußen stank es noch nach Rauch, und die Wand fühlte sich warm an, als sie ihre Handfläche darauflegte. Sowie sie die Tür öffnete, wurde der Gestank noch beißender. Die Feuerwehr hatte vier Meter Teppichboden herausgerissen, so dass nur noch die dunklen Dielen zu sehen waren. Die Ausstellungstische waren zusammengeklappt und die Bücher in aller Eile in den Regalgängen aufgestapelt worden.
Jon stand am Tresen und goss den Inhalt einer Flasche in einen Eimer. Sein Gesicht war rußverschmiert. Er hatte seine Jacke wieder angezogen, obwohl sie lauter Brandlöcher hatte. Er sah aus wie eine Comicfigur nach einem heftigen Schusswechsel. Sie war froh, dass er während des Angriffs zur Stelle gewesen war, doch noch dankbarer war sie dafür, dass er auch jetzt noch die Stellung hielt.
»Essig«, erklärte er und deutete auf den Eimer. »Gegen den Gestank.« Er leerte die Flasche und stellte den Eimer in der Mitte des Ladens auf den Boden. Der Geruch stach in der Nase, und Katherina trat einen Schritt beiseite, um sich in den Sessel hinter dem Tresen fallen zu lassen.
»Wie geht es ihm?«, erkundigte sich Jon besorgt.
»Er hat einen Schock«, antwortete Katherina. »Aber ansonsten sieht es nicht schlecht aus. Es hätte viel schlimmer kommen können.« Sie zuckte mit den Schultern. »Sie behalten ihn aber trotzdem ein paar Tage dort. Mindestens.«
Jon schüttelte den Kopf.
»Wer macht bloß so etwas?«, fragte er rhetorisch. »Die Polizei meinte, es könne sich um einen Anschlag mit rassistischem Hintergrund handeln, aber für mich klingt das etwas an den Haaren herbeigezogen.«
»Die Polizei?«, platzte Katherina erschrocken hervor.
»Ja, die sind zusammen mit der Feuerwehr gekommen.«
Jon erzählte, wie die Feuerwehr vorgegangen war, um alle Brandherde zu löschen, und wie sie danach die Fenster vernagelten und den Teppichboden entfernten. Er selbst war währenddessen von der Polizei befragt worden. Ihre Fragen waren ihm routinemäßig vorgekommen - nicht mit einer Silbe hatten sie sich nach dem Wesen des Geschäfts erkundigt, er hätte ihnen aber auch nichts gesagt, wenn sie gefragt hätten, versicherte er Katherina. Vor dem Laden waren die Reste eines Molotowcocktails gefunden worden. Vermutlich schloss die Polizei deswegen auf eine kleinere Gruppe, möglicherweise mit rassistischem Hintergrund.
»Die Polizei will natürlich auch gerne mit dir reden, aber ich hatte weder deine Adresse noch Telefonnummer. Du sollst selber mit ihnen Kontakt aufnehmen«, schloss er.
Katherina nickte langsam und starrte vor sich hin.
»Also, was glaubst du?«, wollte Jon wissen. »Wer war das?«
Sie öffnete den Mund, um zu antworten, wurde aber unterbrochen von kräftigem Klopfen gegen die Holzbretter, mit denen die Fenster vernagelt worden waren. Beide wandten sich dem Geräusch zu. Die Klinke wurde nach unten gedrückt, und die Tür ging auf.
Paw trat mit wildem Blick, zusammengebissenen Zähnen und geballten Fäusten ein.
»Was zum Teufel ist hier passiert?«, fragte er aufgebracht.
Es brauchte einiges an Überredungskunst, bis er sich so weit beruhigt hatte, dass Jon und Katherina ihm erklären konnten, was geschehen war. Während ihrer
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