Die Bibliothek der Schatten Roman
um und sahen Katherina in einem langen schwarzen Mantel in den Laden treten. Sie umarmte Iversen und streckte dann Jon lächelnd die Hand entgegen. Er schlug ein und zog sie zu einer Umarmung an sich. Er freute sich so sehr, sie wiederzusehen, dass er verlegen den Blick senkte, als ihre Körper sich auseinanderbewegten.
»Und, bist du bereit?«, fragte Katherina, während sie den Mantel auszog und über den Tresen legte. Sie trug einen blauen Sweater, ein paar gut sitzende Jeans und kurze schwarze Stiefel.
»So bereit wie nur möglich«, sagte Jon mit einem Schulterzucken.
»Keine Sorge, wir werden dich da schon unbeschadet durchbringen«, versprach sie.
»Ja, das sagt ihr so.«
Katherina ging nach unten, während Iversen und Jon vor dem Kassentresen stehen blieben.
»Dann fehlt nur noch Paw«, meinte Iversen und sah aus dem Fenster.
Sie mussten nur ein paar Minuten warten, bis Paw zur Tür hereinstürmte, über der die Glocke einen wilden Tanz aufführte.
»Hi, Svend. Hi, Jon.«
Die beiden begrüßten ihn.
»Herrlicher Abend für eine Aktivierung, findet ihr nicht? Ich meine, Regen und Sturm. Und mit ein bisschen Glück kriegen wir vielleicht sogar ein Gewitter.«
Iversen lächelte. »Du meinst, wir sollten die Séance besser nach draußen verlegen?«
»Nein, ist schon okay so, Svend«, erwiderte der junge Mann und schmiss seine Lederjacke über Katherinas Mantel. »Die Prinzessin ist auch schon da?«
»Sie ist unten«, antwortete Iversen. »Wir haben nur noch auf dich gewartet.«
Paw schien kurz nachzudenken, klatschte dann aber in die Hände und sah Jon an.
»Also gut, dann fangen wir an.«
Jon und Paw gingen vor, während Iversen noch die Tür verriegelte und das Licht im Laden löschte.
»Bei wie vielen Aktivierungen warst du schon dabei?«, wollte Jon von Paw wissen, als sie die Treppe erreicht hatten.
»Bei einer«, sagte Paw. »Meiner eigenen. Aber davon habe ich nicht viel mitbekommen. Irgend so ein Psychopath hat mir in der Fußgängerzone eins übergebraten, und ich bin mit dem Kopf aufs Pflaster geknallt. Als ich drei Wochen später aus dem Koma aufgewacht bin …« Paw schnippte mit den Fingern. »Rums! Da war es da.« Er nahm die ersten Stufen in den Keller. »Es verging einige Zeit, bis ich kapiert hab, was los war, aber mir war gleich klar, dass irgendwas nicht stimmte. Bald wirst du wissen, wovon ich rede, ein bisschen Geduld noch.«
Er lachte.
Sie hatten den Fuß der Treppe erreicht und gingen durch den dunklen Gang auf die Eichentür zu, die in die Bibliothek führte. Ein schwacher Lichtschein empfing sie.
»Hi, Kat«, rief Paw, als er die Bibliothek betrat.
Jon folgte ihm. Das elektrische Licht war so weit gedimmt, dass der Raum mehr oder weniger nur von den Kerzen erleuchtet wurde, die auf dem Tisch und den wenigen Regalen standen, die nicht mit Büchern zugestellt waren.
»Das ist nur für die Stimmung«, erklärte Katherina. »Für die Aktivierung hat es keine Bedeutung.« Sie lächelte.
»Hier ist es ja gemütlich«, stellte Paw fest und ließ sich in einen der Sessel fallen. »Fehlen nur noch Räucherstäbchen und Kräutertee.«
Katherina ignorierte ihn und nahm ein Buch aus der Vitrine, neben der sie stand.
»Hast du das schon gelesen?«, fragte sie und hielt Jon das Buch hin.
Er sah es sich an. Es war in blaues Leder gebunden, und obgleich er nicht viel davon verstand, war ihm klar, dass es sich um echte Qualitätsarbeit handelte. Als er es umdrehte, um nach dem Titel zu schauen, erkannte er, dass es sich um Don Quijote handelte.
»Nein«, antwortete Jon schließlich. »Das habe ich nie gelesen.«
»Skandalös«, meinte sie. »Das ist ein echter Klassiker. Iversen hat es mir schon mehrmals vorgelesen.«
Jon nickte und blätterte durch das Buch. Das dicke Papier fühlte sich angenehm an. Es war wirklich eine besonders schöne Ausgabe.
»Das nehmen wir für die Aktivierung«, sagte Katherina nebenbei und nahm ein zweites Exemplar aus der Vitrine, bevor sie die Klappe schloss.
»Ich dachte, dafür bräuchte es Beschwörungsformeln und Zaubersprüche«, staunte Jon.
Katherina grinste.
»Die Worte sind nicht so wichtig. Es geht vielmehr um die Energie und die Gefühle, die der Text wachruft.« Sie legte ihre freie Hand auf das Buch, das Jon hielt. »Dieses hier ist stark. Spürst du das?«
Jon legte die Hand auf das Buch und streifte Katherinas Finger, die sie verlegen wegzog. Er schloss die Augen und versuchte, die Energie zu erspüren, von der sie
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