Die Bibliothek der Schatten Roman
Blick standen Verwirrung und Angst.
Danach erinnerte sie sich an nichts mehr.
»Katherina?« Iversens Stimme war dicht neben ihr.
Sie öffnete die Augen und blickte direkt in sein besorgtes Gesicht. Er lächelte.
»Geht es dir gut?«
Abgesehen von einer gewissen Mattigkeit und dem Gefühl, lange nicht geschlafen zu haben, ging es ihr gut. Sie nickte.
»Was ist mit Jon?«, erkundigte sie sich.
»Dem Meister des Feuerzaubers?« Paw schob seinen Kopf in ihr Blickfeld. »Der ist vollkommen ausgeknockt. Aber am Leben, wenn du das meinst.«
Die beiden Männer richteten sich auf und blickten hinter sich, wo Jon jetzt auf einem Feldbett lag. Es sah aus, als schliefe er ruhig.
»Wir haben euch aus dem Keller nach oben getragen«, erklärte Iversen. »Da unten müssen wir noch lüften. Ich glaube, die elektrischen Leitungen können wir vergessen. Das ist alles geschmolzen.«
»Wie konnte das geschehen?«, fragte Katherina mit heiserer Stimme.
Iversen zuckte mit den Schultern.
»Das übersteigt meinen Verstand«, räumte er ein. »Wir hatten gehofft, du könntest uns etwas dazu sagen.«
»Nur, dass er unglaublich stark war«, antwortete Katherina. »Stärker als jeder Sender, den ich jemals getroffen habe.«
Iversen nickte nachdenklich.
»Aber Blitze?«, fiel Paw ein. »Ist das nicht ein bisschen verrückt?«
»Das ist schon sehr extrem«, gab Iversen zu. »Aber wir haben latente Bereiche seines Gehirns aktiviert. Wer weiß, wie viel da oben noch versteckt ist?« Er klopfte sich mit dem Zeigefinger auf die Schläfe. »Vielleicht haben wir ein paar zusätzliche Kontakte hergestellt?«
»Oder es ist eine Sicherung durchgebrannt«, schlug Paw zynisch vor.
Sie schwiegen alle drei und wechselten besorgte Blicke. Selbst Paw schien den Ernst der Situation erkannt zu haben, auch in seinen Blick hatte sich eine gewisse Nervosität geschlichen. Vom Feldbett konnten sie Jons ruhige Atemzüge hören.
Katherina blickte auf ihre Hände. Die Kontrolle der Séance
war ihre Verantwortung gewesen. Natürlich hatte niemand vorhersehen können, wie es laufen würde, aber sie hätte Jon früher stoppen und verhindern müssen, dass die Aktivierung so außer Kontrolle geriet. Vielleicht hatte sie ihn zu sehr unter Druck gesetzt. Ihre Faszination von der Entfaltung seiner Fähigkeiten hatte sie zögern lassen, wo sie hätte einschreiten sollen. Die Elektroinstallationen waren möglicherweise nicht die einzigen Verbindungen, die durchgebrannt waren. Jon atmete zwar ruhig, aber sie konnten nicht wissen, ob er geistig nicht schwerste Schäden genommen hatte.
»Vielleicht sollten wir jemand rufen, der ihn sich ansieht«, schlug Katherina vor.
»Daran hatten wir auch schon gedacht«, seufzte Iversen. »Aber wer sollte das sein, und was sollten wir ihm sagen?«
Katherina wusste keine Antwort. »Auf jeden Fall müssen wir Kortmann Bescheid geben«, fuhr Iversen fort.
Seine Äußerung versetzte Katherina einen Stich. Bei all den Vorbereitungen für die Aktivierung und Iversens Entlassung aus der Klinik hatten sie ganz vergessen, Kortmann über ihr Treffen mit Tom Nørreskov und über die Schattenorganisation zu informieren. Außerdem hatten sie sich auf eine Aktivierung eingelassen, von der Kortmann selbst abgeraten hatte.
»Ich meine, wir sollten auch Clara einbeziehen«, fügte sie mit Nachdruck hinzu. »Die Empfänger haben das gleiche Recht, über die Geschehnisse informiert zu werden, wie die Sender.«
Nach einer Stunde tauchte als Erstes Clara auf. Jon schlief noch immer. Katherina hatte die meiste Zeit an seiner Seite gesessen, doch abgesehen von leisem Murmeln und ein paar unverständlichen Silben war er die ganze Zeit ruhig gewesen. Clara begrüßte erst die anderen und beugte sich dann über Jon, um sich zu vergewissern, dass er wirklich schlief und sie
nicht täuschte. Sie hockte sich neben das Bett und nahm sein Handgelenk, um ihm den Puls zu fühlen.
»Und er war seit der Aktivierung die ganze Zeit in diesem Zustand?«, fragte sie routiniert.
Iversen nickte und erzählte in groben Zügen, was sich während der Séance zugetragen hatte. Als Clara von den physischen Phänomenen hörte, riss sie die Augen auf und ließ Jons Handgelenk los, als hätte sie sich verbrannt.
»Sehr interessant«, bemerkte sie und stand auf. Ihr Blick huschte auf der Suche nach einer Antwort zu Katherina, doch die schüttelte nur schwach den Kopf.
Im gleichen Moment ging die Ladentür auf, und ein jüngerer Mann trat ein. Ohne sie
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