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Die Bibliothek der verlorenen Bücher

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Titel: Die Bibliothek der verlorenen Bücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Pechmann
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Vorschuss von 300 Dollar gezahlt. Ein Feuer im Verlagsbüro und weitere Überarbeitungen des Romans durch Melville verzögerten die Publikation bis in den Sommer des nächsten Jahres hinein. Das Südseeabenteuer »The Tortoise Hunters« ist als eigenständiger Roman nie erschienen. Ein thematisches Echo findet sich jedoch in einer Reihe von Erzählungen, die unter dem Sammeltitel »The Encantadas« in »Putnam’s Monthly Magazine« veröffentlicht wurden. Obwohl einzelne Episoden der »Encantadas« von der Schildkrötenjagd auf den Galapagosinseln handeln, dürfte die Sammlung nicht mit »The Tortoise Hunters« identisch sein, da Melville die Erzählungen an Putnam verkaufte, während er über den Roman noch mit Harper verhandelte. Wahrscheinlicher ist, dass Melville einzelne Abschnitte des geplanten Romans neu bearbeitete und Neugeschriebenes hinzufügte.
       Wo sind all diese Manuskripte geblieben? Wurden sie verbrannt, weggeworfen, an unbekanntem Ort hinterlegt? Einen Hinweis findet man in einem Brief, den Melville im Mai 1862 an seinen Bruder, Kapitän Tom Melville, schrieb. Er habe seine Manuskripte für zehn Cent das Pfund an einen Reisekistenhersteller verkauft, der das Papier als Futter für die Innenver kleidung nutzen wolle. Er würde Tom gern eine Kiste als »Probeexemplar« zukommen lassen, wenn dieser nur nicht wieder in so weiter Ferne weilte. Seither suchen einige Wissenschaftler verzweifelt nach Reisekisten, die im Jahre 1862 in Massachusetts hergestellt wurden, besessen von dem Gedanken, darin könnten sich unbekannte Manuskripte Herman Melvilles verbergen. Doch da selbst von seinen veröffentlichten Romanen nur einige wenige Manuskriptseiten erhalten geblieben sind, sollte man sich keine falschen Hoffnungen machen.

    Kammerjungfern und Knopflöcher

    L aurence Sterne, Autor des ausufernden Schelmenromans »Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman«, hatte eine Vorliebe für anzügliche Zweideutigkeiten. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn er sein literarisches Hauptwerk nicht schon zu Lebzeiten veröffentlicht hätte? Denn vor den missgünstigen Augen seiner moralisch gefestigten Verwandtschaft fanden die Schriften des leichtlebigen und humorvollen Landpfarrers keine Gnade. Die Familie schien auf sein Ableben sehnsüchtig gewartet zu haben, und kaum war Sterne unter der Erde, da eilte sein Schwager John Botham, ein biederer und bigotter Pfarrer aus Surrey, auch schon in das Haus in der Old Bond Street, um die hinterlassenen Papiere zu sichern. Angeblich fand er dort eine umfangreiche Sammlung freizügiger Liebesbriefe von Damen aus den exklusivsten Kreisen der Gesellschaft sowie verschiedene Manuskripte unbekannten Inhalts, die er sofort verbrannte.
       Dass die Pfaffen und Moralapostel möglicherweise guten Grund hatten, Sternes Nachlass zu fürchten, belegen ein paar Zeilen aus einem Brief, den dieser im Mai 1763 in Paris verfasst hatte: »Ich bin seit acht Wochen von der zärtlichsten Leidenschaft besessen, die jemals ein zärtlicher Bursche erlebt hat. Ich wünschte, mein lieber Freund, Du hättest mit ansehen können (vielleicht kannst Du es, auch ohne dass ich es wünsche), wie köstlich ich damit im ersten Monat umhergetrabt bin, auf und ab, immer unterwegs auf den Straßen von meinem Hotel zu ihrem – zuerst einmal, dann zweimal, dann dreimal täglich, bis ich schließlich drauf und dran war, mein Steckenpferd auf ewig in ihrem Stall unterzubringen.«
       Vor seinen Freunden prahlte Sterne gern mit seiner zuweilen recht aufreibenden außerehelichen Betätigung. Doch die ausschweifende Lebensart, die sich in obigen Zeilen offenbart, war nicht unbedingt sein Stil – zumindest nicht, wenn er mit seiner Familie zusammen war. Im Jahr zuvor hatten ihn noch Frau und Tochter nach Paris begleitet. Elizabeth Sterne saß die ganze Zeit über am Hotelfenster und jammerte über die Qualen, die das Lockenbrennen ihr bereitete, während Tochter Lydia schwere Asthmaanfälle hatte und nicht ausgehen konnte. Der Familienvater litt derweil demonstrativ unter allerlei eingebildeten Unpässlichkeiten. Ob Elizabeth über das Doppelleben ihres Mannes Bescheid wusste? Wahrscheinlich, denn sie billigte nach seinem Tod die Vernichtung der hinterlassenen Papiere aus Angst, ihre Tochter könne daraus unangenehme Wahrheiten erfahren. Sie wollte aber auch nicht, dass nur der gottesfürchtige Schwager Kenntnis von bestimmten Dingen haben sollte. Ihre Unentschlossenheit und ihre Nachgiebigkeit

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