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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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    Walser trug die Öllampe und den Kerzenvorrat. Außerdem hatte er einen leeren Bastsack dabei.
    »Für die Bücher«, erklärte der Apotheker. »Wir können natürlich nicht viele mitnehmen, dazu sind sie zu schwer, wir kriegen sie nicht über den Zaun. Der Sack ist dafür goldrichtig. Den Samoley nehmen wir auf jeden Fall, den Rest entscheidet Ihr. Das Bastgewebe ist hervorragend geeignet. Wenn wir zu müde sind, kann man den Sack auf dem Schnee abstellen, ohne dass die Bücher nass werden.«
    Bis zur Mochowaja-Uliza kamen sie ohne Zwischenfälle – der Hauptmann hatte einen Passierschein, auf dessen Vorzeigen hin die Kontrollposten ohne weitere Fragen die nachts geschlossenen Gitter öffneten.
    Die Mauer um das Anwesen des Metropoliten war aus Stein und hatte eine Höhe von zehn Fuß. Cornelius wählte eine möglichst dunkle Ecke, warf den Haken über die Mauer und war im Nu oben. Walser strampelte sich lange ab, keuchte und musste schließlich am Kragen hochgezogen werden. Die Lampen hatten sie erst mal ausgemacht.
    Sie setzten sich oben hin und besahen sich den Hof. Es war still. Die Lichter in den Zimmern waren gelöscht. Aus dem Pferdestall kamen zwei riesige angriffslustige Rüden gelaufen und kläfften, wobei sie mit den Pfoten gegen die Mauer trommelten.
    Walser hatte auch das bedacht. Er holte zwei Fleischstücke aus dem Sack (der also doch nicht ganz leer war) und warf sie den Hunden zum Fraß vor. Sie stürzten sich darauf, schlangen sie im Nu herunter, und eine halbe Minute später taumelten beide schon und fielen um.
    »Sind sie tot?«, erkundigte sich von Dorn.
    Der Apotheker winkte entsetzt ab.
    »Wie kommt Ihr denn darauf? Warum sollte ich ohne äußerste Not jemandem das kostbare Geschenk des Lebens nehmen? Das ist ein Schlafmittel, ich habe es für die Fürstin Trubezkaja hergestellt, sie leidet an Schlaflosigkeit. Wenn es bei Ihrer Durchlaucht, die zehn Pud wiegt, wirkt, dann bei den Hunden des Metropoliten erst recht.«
    Sie sprangen in eine Schneewehe und liefen schnell über den Hof zum Haus.
    »Dahin«, sagte Walser und wies die Richtung. »Da ist der Hintereingang, den die Diener benutzen, wenn sie zum Abtritt im Hof wollen. Der Grieche hat eine warme Kammer mit einem Wasserablauf.«
    Der Hauptmann fragte erstaunt:
    »Wofür denn das?«
    »Das erkläre ich später«, flüsterte der Apotheker. »Los, vorwärts!«
    Hinter der Ecke befand sich tatsächlich eine niedrige Tür, die nicht verriegelt war.
    Sie schlüpften in den dunklen, stickigen Flur und kamen über zwei Treppenstufen in einen schmalen Gang.
    »Psst!«, zischte Walser leise. »Hier ist Jussups Zelle. Dass wir ihn um Himmels willen nicht wecken. Wir müssen weiter, in Taissis Zimmer.«
    Cornelius nahm ängstlich die Behausung des schrecklichen Mannes in Augenschein und schlich auf Zehenspitzen vorüber.
    »Jetzt nach links«, stupste der Apotheker ihn von hinten an, »im Empfangszimmer, vor dem Schlafgemach des Metropoliten, sitzt immer ein Diener.«
    Der Hauptmann lugte ein wenig hinter der Ecke hervor. Er sah ein geräumiges Zimmer mit bemalten Wänden, eine war von oben bis unten mit Ikonen behängt. An einem kleinen Tisch mit einer Kerze saß ein junger Bursche in der Kutte und kaute an den Fingernägeln. Er gähnte, schlug ein Kreuz vor seinem Mund und kaute wieder an den Fingernägeln.
    »Wenn es geht«, hauchte Walser ihm direkt ins Ohr, »möglichst ohne Totschlag.«
    »Wie viel unnötige Schwierigkeiten wegen dieses Menschenfreunds«, dachte von Dorn. Zog aber den Handschuh über die eiserne Wurfkugel.
    Er schritt ohne Hast durch den Raum.
    Der Mönch blinzelte, kniff die Augen zusammen, um vom Hellen ins Dunkle zu spähen, und fragte:
    »Jakimka, bist du‘s?«
    Die letzten fünf Schritte legte Cornelius in Sprüngen zurück und erwischte den aufgestandenen Wächter mit Schwung – nicht an der Schläfe, wie es eigentlich hätte sein müssen, sondern an der kräftigen, von den Verbeugungen bis zum Boden harten Stirn. Soll er doch leben und sich bei dem weichen Herzen von Walser bedanken. Obwohl: Sicherer wäre es gewesen, dem Mönch den Kopf einzuschlagen.
    Der Bursche fiel mit dem Gesicht nach unten, ohne einen Mucks von sich zu geben.
    »Schneller!«, drängte der Apotheker.
    »Wartet.«
    Der Hauptmann fesselte dem Betäubten mit der Kordel seiner Kutte Hände und Füße und steckte ihm sein Käppchen als Knebel in den Mund. Sie konnten weitergehen.
    Schnell liefen sie

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