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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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sich und traf auf etwas Weiches.
    Jussup versetzte dem Musketier einen kräftigen Stoß. Der Hauptmann flog ein paar Schritte zur Seite, schnellte gleich wieder hoch und ging zum Angriff über, der leider ins Leere lief. Der geschickte Mönch war wieder rechtzeitig beiseite gesprungen. Vor der breiten, auf ihn gerichteten Klinge zurückweichend, riss er das Sacktuch von den Schultern und warf damit nach dem Hauptmann. Der fuhr zurück und prallte mit dem Rücken gegen die Wand. Der Haschischin nutzte den Moment, beugte sich nach unten, hob die Wurfkugel auf und schleuderte sie mit voller Wucht durch die Luft. Cornelius wich dem glitzernden Geschoss aus, um wieder anzugreifen. Merkwürdig, der Mönch rief niemand zu Hilfe, er lächelte nur und bleckte seine gefeilten Vampirzähne.
    Schade, dass er keinen Degen, sondern nur eine kurze Klinge in der Hand hatte, sonst hätte von Dorn dem Bärtigen ein paar Fechtkunststücke gezeigt. Aber es gab einen Trick, der sich auch für den Stutzsäbel eignete und sich Couple nannte. Der Hauptmann machte einen Scheinangriff, warf die Waffe von der einen in die andere Hand und führte den entscheidenden Schlag von der Seite aus.
    Der wendige Haschischin schützte sich mit einer Eisenstange die Klinge brach mit einem Klirren entzwei. Verblüfft starrte vor Dorn auf den übrig gebliebenen halben Zoll Stahl, der aus den Griff ragte. Jussup schleuderte die Wurfkugel beiseite, streckt‹ seine großen, knochigen Hände aus und packte Cornelius wie ein übermütiges Katzenjunges am Nacken. Er hob ihn hoch und war: ihn zu Boden – dem Hauptmann stockte der Atem. Er wollte di‹ Hand nach hinten führen, zu der schmalen Lederscheide unter dem Kragen, in der er das Stilett, seine letzte Hoffnung, versteckt hatte, aber der Mönch warf sich wie ein Königsadler von oben auf ihn. Er setzte sich dem Musketier auf die Brust, umklammerte seine Handgelenke und zog ihm die Arme zum Kreuz auseinander.
    Er beugte sich über ihn und brüllte:
    »Die Gurrrgel beiß ich dir durch.«
    Er drohte nicht, er teilte das lediglich mit.
    Cornelius bäumte sich vor Entsetzen auf, als er den sich ihn nähernden weit aufgerissenen Rachen mit den scharfen Wolfszähnen sah. Ein Werwolf! Ein richtiger Werwolf, wie der, mit dem ihm die Amme in der Kindheit Angst eingejagt hatte!
    Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr. Der Apotheker löste sich endlich von der Wand, hob mit beiden Händen den schweren Samoley im Silbereinband mit den Steinen und knallte ihn dem Werwolf mit aller Kraft seitlich auf den Kopf.
    Ein paar Steine lösten sich aus der Fassung und hüpften über die Dielenbretter.
    Jussup taumelte zur Seite – auf Wange und Backenknochen des Mönchs sah man Spuren vom Aufprall der feuerroten Karfunkel.
    Der Haschischin brüllte auf und drehte sich zu Walser, dessen Wattejacke er gerade noch zu packen bekam.
    Cornelius nutzte die Tatsache, dass er jetzt eine Hand frei hatte, holte das Stilett heraus und jagte es dem Mönch bis zum Heft von schräg unten zwischen Kinn und Hals; dann befreite er auch die andere Hand und stieß Jussup gegen die Brust.
    Der fiel auf den Rücken. Er blinzelte aus seinen ölig schwarzen Augen, griff sich an den Bart – man sah das Stilett darunter nicht, es gluckerte nur etwas und pfiff. Offenbar hatte der Stoß die richtige Stelle erwischt.
    Von Dorn sprang auf die Beine und hob die Wurfkugel auf, bereit, wenn nötig, dem Scheusal den Schädel zu zertrümmern. Es war nicht nötig. Jussup quälte sich noch ein wenig, röchelte und wurde still. Der rötlich sich verfärbende Bart erinnerte an den unvergesslichen Farbton »Laura«.
    »Ich danke Euch, Herr Doktor«, sagte Cornelius gerührt. »Ihr habt mir das Leben gerettet.«
    Obwohl er am ganzen Leibe zitterte, antwortete Walser förmlich:
    »Ich bin froh, mich wenigstens dadurch nützlich gemacht zu haben, Herr Hauptmann.«
    Damit hatte der Austausch von Liebenswürdigkeiten ein Ende, weil im Haus die Türen knallten und Männerstimmen zu hören waren – der Kampf mit Jussup hatte anscheinend zu viel Lärm gemacht.
    »Her damit!«, sagte Cornelius, entriss dem Apotheker den Samoley und stopfte ihn in den Sack. »Schnell in den Hof!«
    Sie liefen durch den knirschenden Schnee: Walser vorneweg, ohne Gepäck, nur mit dem Strick in den Händen; der Hauptmann mit gekrümmtem Buckel ihm hinterher. Der verdammte Sack wog zwei oder sogar drei Pud.
    Der ungeschickte Apotheker schaffte es erst beim dritten Mal, den Haken über

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