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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Missverständnis. Das war ein Dunkel, das dem Reisenden von einer bösen Macht geschickt worden war, um zu prüfen, wie fest er in seiner Absicht war, das gesteckte Ziel zu erreichen.
    ***
    Der undurchdringliche und feindliche Wald von gestern, der über die Zugangswege zu der verzauberten Stadt wachte, hatte sich zu einer so unüberwindlichen Mauer geschlossen, dass man einfach verzweifeln musste.
    Als er festgestellt hatte, dass der Aktenkoffer, in dem alle seine Wertsachen lagen, geschändet und ausgeweidet worden war, brachte der Magister seinen Leidensgenossen irgendwie zur Besinnung, und die beiden Opfer des Gasangriffs stürzten zum Abteil des Schaffners. Der saß da, trank Tee und inspizierte das Spiegelbild seines wenig anziehenden Gesichts in der nachtschwarzen Fensterscheibe.
    Mister Kalinkins schob Nicholas mit der Schulter zur Seite und schrie:
    »Wir sind von Banditen überfallen worden! Das ist internationaler Terrorismus! Diesen britischen Staatsangehörigen und mich hat man mit Nervengas vergiftet! Man hat uns Geld und Sachen geraubt!«
    Der Schaffner drehte sich ihnen träge zu und gähnte.
    »Das kommt leicht vor«, sagte er und schaute die Fahrgäste gelangweilt an. »Die machen hier die Gegend unsicher. Poschali-vajut. Die Eisenbahn haftet nicht für geklaute Sachen. Sonst käme man mit solchen Armleuchtern wie euch noch an den Bettelstab.«
    »Und wo sind die beiden jungen Männer im Jogginganzug, mit denen Mister Fandorin Sie gesehen hat?«, fragte der Sahnehändler und durchbohrte den erstaunlich coolen Bediensteten mit seinem Blick. »In welchem Abteil sind sie?«
    »Wie, was für Leute?«, brachte der Schaffner träge seine Verwunderung zum Ausdruck. »Mit niemand hab ich geredet. Dein Mister spinnt.« Und er wandte sich wieder seinem Spiegelbild zu, um sich bei ihm zu beschweren. »Haben Tomaten auf den Augen und pennen, diese Idioten. Und du sollst dann Erklärungen schreiben. Wendet euch an den Dienst habenden Milizionär. Der ist im dritten Wagen, jawohl. Und macht die Tür zu, es zieht.«
    Der Lette ging nicht zu dem Milizionär, er sagte, das könne man sich schenken, so dass Nicholas gezwungen war, alleine bei dem Vertreter des Gesetzes vorzusprechen.
    Der Leutnant, den Fandorin in dem Abteil der Schaffnerin des dritten Wagens antraf, wollte anfangs wirklich keinerlei Maßnahmen ergreifen.
    »Verstehen Sie doch, in einer Stunde und zehn Minuten hält der Zug in Pskow«, erklärte ihm Nicholas. »Da steigen die Diebe aus, und die gestohlenen Sachen verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Man braucht doch nur durch den Zug zu gehen, und ich identifiziere diese Männer. Ich bin mir sicher, dass sie es waren.«
    Die lästige Unterhaltung zog sich recht lange hin, und es war klar, dass sie zu keinem Ergebnis führen würde. Der Engländer hatte keine Argumente, die den Milizionär dazu bewegen konnten, die Knöpfe an seiner Uniform zu schließen, das Achselhalfter mit der Pistolentasche umzulegen und sämtliche dreizehn Wagen zu kontrollieren, statt sich ein viertes Gläschen zu genehmigen und etwas dazu zu essen.
    Wer dem ausländischen Lulatsch zu Hilfe kam, das war die Schaffnerin, die auf diese Weise die Wahrhaftigkeit der klassischen Literatur unter Beweis stellte, nach der das russische Weib ein warmes und weiches Herz hat.
    »Na, nun komm schon, Walja, was hast du denn, stell dich doch nicht so an«, sagte die reichlich pummelige und dauergewellte Urenkelin der von dem Dichter Nekrassow gepriesenen russischen Frauen. »Du siehst doch, der Mann braucht Hilfe. Na, geh schon. Ich schnippel dann in der Zwischenzeit schon mal die Gürkchen und Radieschen.«
    Die sportlichen jungen Leute fanden sich im sechsten Abteil des vierten Wagens, also im Nachbarwaggon. Sie waren zu zweit und hauten leidenschaftlich ihre schmuddeligen Karten auf den Tisch, auf dem Bierflaschen standen.
    »Das ist er, der Anzug«, sagte Nicholas zu dem Leutnant und zeigte auf den blauen Ärmel mit dem weißen Streifen. »Ich bin mir meiner Sache sicher.«
    »Die Ausweise bitte vorzeigen«, verlangte der Milizionär streng. »Und das Gepäck ebenfalls. Mir liegt eine Anzeige von einem ausländischen Bürger vor.«
    Der Ältere hob verständnislos die Arme und sagte:
    »Was denn für Gepäck, Chef? Serjoga und ich, wir sind in Neworotinskaja eingestiegen, und in Pskow steigen wir wieder aus. Schauen Sie doch, ich habe in meiner Tasche die zwei Brassen hier und Zigaretten.«
    Man muss es dem Leutnant Walja lassen: Unter

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