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Die Bibliothek des Zaren

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Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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finanzieller und bürokratischer Schwierigkeiten auftauchen, aber der Versuch wäre . . .«
    Er hatte noch nicht ausgeredet, da klopfte es, und ohne eine Antwort abzuwarten, betrat ein eleganter brünetter Mann mit einer modischen schmalen Brille und einer Sporttasche in der Hand den Raum. Aus seiner Tasche ragten die Griffe von zwei Tennisschlägern.
    »Stanislaw Kondratjewitsch«, sagte der Brünette unzufrieden und streifte Fandorin mit einem Blick, »ich habe doch darum gebeten, früher gehen zu können. Ich muss zu einem Turnier in der Petrowka-Uliza.«
    »Ja, ja«, antwortete der Direktor in einem Ton, der wie eine Entschuldigung klang, »ich weiß schon, mein Lieber. Aber hier ist Mister Fandorin von der britischen Royal Historical Society. Helfen Sie ihm, die Urkunde aus dem Depot zu beschaffen, man lässt ihn sonst womöglich noch bis morgen warten. Das wäre peinlich, schließlich kommt er von weit her. Ach, ja, darf ich vorstellen: Maxim Eduardowitsch Bolotnikow, Nicholas Fandorin. Sehen Sie mal, mein Lieber, was er für ein solides Begleitschreiben hat, mit Wappen und Wasserzeichen. Wie hieß es da noch?« Werschinin setzte die Brille auf und zitierte aus dem Empfehlungsschreiben mit einer Aussprache, die einfach grauenhaft war: »›. . .please give every possible assistance to Sir Nicholas A. Fandorin, M A, Bt.‹ Es wird gebeten, ihn so weit wie möglich zu unterstützen. Übrigens, Herr Fandorin, was M A ist, weiß ich, Magister artium‹, aber was heißt ›Bt.‹? Ist das ein wissenschaftlicher Grad oder eine Auszeichnung?«
    Nicholas lief vor Scham rot an. Der Sekretär der Gesellschaft, der ihn seit langem förderte und ihm wohl wollte, hatte entschieden zu viel des Guten getan, um Eindruck zu schinden. Was sollte das: »Sir, Bt.«?
    »Nein, Stanislaw Kondratjewitsch, ›Bt.‹ heißt ›Baronet‹, das ist ein Titel, der sich vererbt«, sagte Bolotnikow und stierte den Engländer wie ein Ausstellungsstück im Museum an. »Erinnern Sie sich an Baskerville? Wenn ich mich nicht irre, stammte die Idee für den Titel Baronet von Jakob I. und diente dazu, die königliche Staatskasse aufzufüllen. Jeder, der wollte, konnte sich für einen Betrag von ungefähr tausend Pfund diesen Adelstitel kaufen.«
    Gleich von zwei unangenehmen Gefühlen überwältigt, von Verwirrung und Neid ob der glänzenden Bildung des aufstrebenden jungen Historikers, erklärte Nicholas verlegen:
    »Das sind die alten Baronets, die den Titel in der achten oder gar zehnten Generation tragen, davon gibt es heute kaum noch welche. Ich bin erst der zweite Baronet, der erste war mein Vater. Er kaufte den Titel nicht, sondern die Queen hat meinen Vater für seine Leistungen in der Medizin zum Baronet ernannt . . .«
    Das klang dumm und wenig selbstbewusst – als ob er sich für Sir Alexander rechtfertigen müsse.
    Als sie das Arbeitszimmer des Direktors verlassen hatten, fragte Bolotnikow spöttisch:
    »Also, wie soll man Sie denn nun eigentlich nennen? ›Sir Nicholas‹ oder ›Sir Fandorin II.‹?«
    »Wenn es Sie nicht stört, nennen Sie mich einfach Nick«, bat der Magister, obwohl er die Kurzform seines Namens nicht ausstehen konnte.
    Der Mozart schaute auf die Uhr und zog ein langes Gesicht.
    »Also, Sir Nick, Sie setzen sich in mein Arbeitszimmer, und ich gehe alleine ins Depot. Sie müssen warten – bis ich die richtige Inventarliste und die richtige Akte finde, das braucht seine Zeit .., Verdammt, zum ersten Spiel komme ich nicht mehr rechtzeitig. Und wenn ich dann womöglich noch in einem Stau hängen bleibe . . . Ich lasse das Auto lieber stehen und nehme die U-Bahn.«
    Die letzten Sätze sprach er halblaut vor sich hin, sie richteten sich nicht an Nicholas.
    »Sagen Sie, Maxim Eduardowitsch«, fragte Fandorin, der seine Neugier nicht zügeln konnte, »der Herr Direktor hat gesagt, Ihnen sei eine Stelle in Stanford angeboten worden, die Sie abgelehnt hätten. Warum? Aus Patriotismus?«
    »Was hat denn das mit Patriotismus zu tun!«, sagte Bolotnikow und sah Nicholas an wie jemand, der nicht ganz bei Trost ist. »Ich bin Spezialist für russische Geschichte und Paläografie. Alle Dokumente, die für meine Fachrichtung von Bedeutung sind, befinden sich in Russland und nicht in Stanford. Das heißt, wissenschaftliche Entdeckungen kann ich ebenfalls nur hier machen. Sollen doch die nach Stanford gehen, denen ein Townhouse und der Golfklub wichtiger sind als die Wissenschaft . . . Haben Sie Ihre Hälfte des Schreibens

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