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Die Bibliothek des Zaren

Die Bibliothek des Zaren

Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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nüchtern auf Nicholas, als hätte es die drei Gläserreihen nie gegeben. »Die Sache riecht nach Krematorium. Einer meiner Männer hat mich angerufen, ein Bulle. Ich habe ihn, als wir ankamen, gebeten nachzuprüfen, ob es keine Hämorriden gibt. Das heißt, ob wir nicht doch beobachtet wurden und nach uns gefahndet wird.«
    »Und?«, fragte Fandorin und bekam kalte Füße.
    »Nach mir nicht, nach dir ja. Wir sind nicht beobachtet worden. Bisher sind jedenfalls keine Zeugen aufgetaucht. Aber wir haben uns dümmer angestellt, als die Polizei erlaubt. Wir haben den Verstorbenen nicht gefilzt, Kolja. Und dieser pingelige Hund hatte in seinem Notizbuch ein Foto von dir, auf dessen Rückseite ›Nicholas Fandorin‹ plus der Name eines Hotels und noch eine Adresse in der Bolschaja-Pirogowskaja-Uliza stand. So dass Sie schon entschuldigen müssen, Mister Fandorin, aber die russische Grenze ist für Sie erst mal zu.« Wlad seufzte. »Du stehst auf der Fahndungsliste, Kolja, und zwar auf der, die an die höchsten Stellen geht.«
    »Wieso geht sie an die höchsten Stellen?«, fragte Nicholas mit schwacher Stimme. Er griff nach dem Glas, zog aber die Hand zurück; sein Hirn funktionierte ohnehin nicht besonders, und nun drohte die Angelegenheit doch tatsächlich eine ganz üble Wendung zu nehmen.
    »Der Fall wurde zur Prüfung an den Minister weitergeleitet. Weißt du eigentlich, wen wir beide da umgelegt haben?« Wlad lächelte nervös. »Nein? Na, dann kannst du die vorige Nachricht als die gute betrachten, denn jetzt kommt die schlechte: Dieser komische Typ mit der Beretta war Schurik höchstpersönlich, der König der Profikiller. Für einen kleinen Fisch hätte der keinen Finger krumm gemacht. Ich glaube, wegen Schurik werden dir solche Leute böse sein, dagegen sind das Innenministerium und die Moskauer Kriminalpolizei die reinsten Waisenknaben . . .«
    Fandorin rieb sich wütend mit der Hand die Stirn, damit die Welt um ihn herum endlich mit ihrem leichtsinnigen Schaukeln aufhörte.
    »Ich muss mich den Behörden stellen und erklären, wie es dazu gekommen ist. Das war Notwehr.«
    »Na klar«, sagte Solowjow nickend, »Notwehr: für alle Fälle drei Kugeln in den Schädel. Oder willst du den Bullen sagen, dass dein Freund Wlad ihn verarztet hat?«
    »Wie kannst du so etwas sagen!«, schrie Nicholas entsetzt. »Ich werde dich überhaupt nicht erwähnen! Ich werde sagen, ich habe das erstbeste Auto angehalten, mir das Kennzeichen nicht gemerkt, den Fahrer nicht genau angeguckt und . . .«
    »Bei der Moskauer Kriminalpolizei sitzen keine Armleuchter. Erklär du ihnen mal, wieso ein englischer Historiker Bekannte wie Schurik hat und in was für einem Cambridge man dir beigebracht hat, den Superkiller mit seiner eigenen Knarre zu durchlöchern.«
    Fandorin ließ den Kopf hängen. Die Situation sah absolut ausweglos aus. Sich der Miliz stellen, das hieß, einen Mann hereinzulegen, der ihm in einer schwierigen Minute beigestanden hatte. Sich nicht stellen hieß, zu einem flüchtigen Verbrecher zu werden.
    »Kurz, Folgendes!«, sagte Wlad und haute mit der Faust auf den Tisch, so dass zwei leere Gläser umkippten und aus drei vollen der Wodka schwappte. »Mir sind Schurik, die Moskauer Kripo und der Minister Kulikow egal. Du versteckst dich hier so lange wie nötig. Sobald die Luft rein ist, schicke ich dich mit einem gefälschten Pass über die Türkei außer Landes. Die Bullen, hol sie der Geier, die finden dich hier nicht. Ich habe vor den anderen Angst. Vor denen, die Schurik von der Leine gelassen haben. Sag alles, was du weißt, Kolja, lass mich nicht hängen. Ich muss abschätzen können, von wo ich die Attacke zu erwarten habe, um mich rechtzeitig zu verschanzen.«
    Nicholas blickte den schönen Wlad Solowjow an und schwieg. Der Magister der Geschichte hatte heute seinen Abend der mutigen Entscheidungen. Gerade hatte er eine getroffen, die in ihrer Kühnheit ungeheuerlich war, nun reifte in ihm eine andere, noch weniger vernünftige heran.
    Er würde dem tapferen Freibeuter nichts erzählen. Und auch nicht dessen Asyl in Anspruch nehmen. Denn das wäre eine große Schweinerei. Es reichte, dass er Altyn in diese schreckliche Geschichte hineingezogen hatte. Er war nicht einer von den Schuften, die diejenigen, die ihm helfen, zu Grunde richtet.
    Wenn er Wlad gegenüber anständig und ehrlich sein wollte, gab es nur einen einzigen Weg: aus seinem Leben zu verschwinden und ihn nicht in tödliche Gefahr zu bringen.
    »Was

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