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Die Bibliothek des Zaren

Die Bibliothek des Zaren

Titel: Die Bibliothek des Zaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Feuerwehr stammt aus einem Kindergartenvers. Da suchen alle, die Feuerwehr und die Miliz, einen Spinner. Ich weiß nicht mehr, was er auf dem Kerbholz hatte. Brandstiftung, glaub ich. Hol ihn der Teufel. Deine Hütte hast du nun gesehen und dir den Weg gemerkt. Dann gehen wir jetzt zurück. Es wird Zeit, dass wir uns näher kennen lernen.«
    Mit Nicholas geschahen merkwürdige, aber nicht unangenehme Dinge. Er saß mit aufgestütztem Kopf am Tisch und hörte, wie von unten, aus dem Restaurant, Akkordeonklänge heraufdrangen und eine prächtige heisere Stimme ein schönes Lied sang, in dem von Wegen, Staub, Nebel und Kälte die Rede war. Der Blazer hing über der Stuhllehne, die Krawatte, die ihn würgte, war vom Hals des Magisters auf den Flaschenhals gewandert. Der Raum um ihn herum wackelte ein wenig und verschwamm, aber das störte Fandorin überhaupt nicht, sollte er doch. Nicholas wusste, dass er nicht ganz nüchtern war, und diese richtige Einschätzung bewies, dass er so betrunken wiederum auch nicht war. Das Geheimnis war einfach: Vernunft und Vorsicht. Nicht jedes Mal, wenn der abgehärtete Wlad ein Gläschen kippte, hielt er mit, sondern er legte Pausen ein: zweimal setzte er aus, einmal trank er; zweimal setzte er aus, einmal trank er. Sina baute vor dem Freibeuter allerdings auch schon die dritte Phalanx auf . . .
    Es gelang ihnen durchaus, sich näher kennen zu lernen. Fandorin wusste jetzt alles über seinen neuen Freund: Wlad Solowjow war Generaldirektor der »Tschjornaja Gora«-Holding, zu der die »Mont Noir«-Parfümerien, der Erdgaskonzern »Black Mountain«, die »Schwarzenberg«-Brauerei, die »Kuroyama«-Computerfabrik und eine Kette von Vergnügungsstätten mit dem Namen »Montenegro« gehörten (zu denen insbesondere auch die ausgezeichnete Schänke zählte).
    Auch die Seele des Generaldirektors offenbarte sich in ihrer ganzen slawischen Grenzenlosigkeit.
    »Das Leben muss knackig sein, so, als ob man in einen Apfel beißt, Kolja«, sagte Wlad und fuchtelte mit einem rotbackigen Krim-Apfel in der Luft herum. »Dass der Saft in alle Richtungen spritzt. Sonst ist der Sauerstoffverbrauch doch für die Katz. Denkst du etwa, Büroräume in der Wolchonka-Uliza, das ist der größte Traum von Wlad Solowjow? Pustekuchen! Ich will morgen die ganze Welt. Das Ziel ist nichts, die Bewegung alles, verstehst du?«
    »Ja«, sagte Nicholas nickend und beobachtete dabei mit Interesse, wie der Tisch sich leicht vom Boden hob und wieder senkte, sich hob und senkte, wie bei einer spiritistischen Sitzung. »Ich habe eins verstanden, Wlad. Du bist eine runde Natur, du bist ein Mensch der Renaissance. Ich beneide dich darum.« Der Magister winkte bitter ab. »Du hast Schwung, du hast Wind in den Ohren, du bist ein Feuerwerk. Verstehst du, was ich meine?«
    Natürlich verstand Wlad sehr wohl alles, sogar besser als Nicholas selbst. Der Mensch der Renaissance legte seinem Freund die Hand auf die Schulter, aß den Apfel mit einem Knacken und sagte mit erhobenem Zeigefinger:
    »Nein, Kolja, damit hast du nicht Recht. Man sollte keinen beneiden, das ist witzlos. Neidisch ist nur der, der nicht sein eigenes Leben lebt. Wenn du dein eigenes Leben hast, wenn du das machst, wofür dich Gott geschaffen hat«, er wies hoch zur Decke, »dann bist du auf niemand neidisch. Ich rede jetzt mit dir, ohne dir etwas vorzumachen oder mich aufzuplustern, ganz im Ernst. Ein Historiker bist du?«
    »Ja«, sagte Nicholas nickend und trank einen Schluck aus dem Glas.
    »Dann sei auch ein Historiker. Warum neidisch sein auf Wlad Solowjow? Ich bin ein Wagehals, bin ein Räuber, Kolja. Früher oder später breche ich mir den Hals. Mit einem Knacken, wie ich gelebt habe. Du aber musst Bücher schreiben. Entdeckungen machen.« Er fuhrwerkte mit der Gabel in der Luft herum und sprach weiter: »Kommen in eurer Gesch. . . Geschichtswissenschaft Entdeckungen vor? Gibt es so etwas? Dann komm, presch los, stoß bis zum Heft zu! Was bist du denn sonst für ein Scheißhistoriker?«
    Wie Recht er hatte! Fandorin schüttelte erstaunt den Kopf. Im selben Augenblick traf er eine Entscheidung, die ihm einfach und natürlich vorkam. Ja, er war nicht nüchtern, aber das machte die Entscheidung nicht weniger richtig. Dass eine Entscheidung richtig ist, merkst du ja nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Herzen. Der Verstand kann sich irren, das Herz irrt nie.
    Er durfte Cornelius, der aus der Finsternis seinem Nachkommen wortlos die Hand entgegenstreckte, nicht

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