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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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zu werden.« Als ich aufsah, schwebten Staubkörnchen im Lampenlicht, und Augusta stand da und sah auf mich hinunter. Dann kniete sie sich neben mich und strich mir das Haar aus dem Gesicht.
    »Oh, Lily«, sagte sie. »Kind.«
    »Es war ein Unfall«, sagte ich und sah ihr direkt in die Augen.
    »Jetzt hör mir mal zu«, sagte Augusta und drehte mein Kinn hin zu ihrem Gesicht. »Das ist etwas ganz, ganz Furchtbares, womit du da lebst. Aber darum bist du doch liebenswert! Selbst wenn du sie bei einem Unfall getötet hast, bist du immer noch das wundervollste, liebenswerteste Mädchen, das ich kenne. Und Rosaleen liebt dich. May hat dich geliebt. Selbst ein Blinder sieht, dass Zach dich liebt. Und alle Töchter Mariens lieben dich. Und selbst wenn es nicht so aussieht, auch June liebt dich. Das hat bei ihr nur etwas länger gedauert, weil sie deine Mutter nicht leiden konnte.«
    »Sie hat meine Mutter nicht leiden können? Aber warum denn?«, sagte ich und begriff, dass June ja auch die ganze Zeit gewusst haben muss, wer ich bin.
    »Ach, das ist kompliziert, aber so ist June nun einmal. Sie konnte sich einfach nicht damit abfinden, dass ich als Dienstmädchen im Haus deiner Mutter gearbeitet habe.« Augusta schüttelte den Kopf. »Ich weiß, es war nicht richtig, aber sie hat es an Deborah ausgelassen, und dann an dir. Aber selbst June liebt dich doch inzwischen, oder?«
    »Ja, wahrscheinlich«, sagte ich.
    »Aber vor allem sollst du wissen, dass ich dich liebe. So wie ich deine Mutter geliebt habe.«
    Augusta stand auf, aber ich blieb, wo ich war, und ließ die Worte in meinem Innern nachklingen. »Gib mir deine Hand«, sagte sie und hielt mir ihre hin. Als ich langsam wieder hoch kam, fühlte ich mich schwindelig und sehr wackelig auf den Beinen.
    Ich wollte so gerne sagen: Ich liebe dich auch. Ich liebe euch alle. Das Gefühl stieg in mir auf wie ein Wirbelwind, aber als es meinen Mund erreichte, hatte es keine Stimme, keine Worte. Es war nur Luft und Sehnsucht.
    »Wir brauchen eine kleine Atempause«, sagte Augusta und schritt Richtung Küche.
     
    Augusta ging zum Kühlschrank und schüttete uns zwei Glas Eiswasser ein. Wir nahmen die Gläser mit zur hinteren Veranda, setzten uns da auf die Hollywoodschaukel, tranken kleine kalte Schlucke und lauschten den quietschenden Ketten. Es ist erstaunlich, wie beruhigend dieses Geräusch sein kann. Wir hatten kein Licht angemacht, und auch das war beruhigend - einfach so im Dunkeln zu sitzen.
    Nach einigen Minuten sagte Augusta: »Eines ist mir überhaupt nicht klar, Lily - was dich eigentlich hierher geführt hat.«
    Ich zog das hölzerne Bild der schwarzen Maria aus meiner Tasche und gab es ihr. »Es gehörte meiner Mutter«, sagte ich. »Ich habe es auf dem Speicher gefunden, zusammen mit ihrem Foto.«
    »Oh großer Gott«, sagte sie und legte ihre Hand vor den Mund. »Das habe ich deiner Mutter gegeben, kurz bevor sie gestorben ist.«
    Sie stellte ihr Glas ab und ging über die Veranda. Ich war nicht sicher, ob ich weiter sprechen sollte, und so wartete ich darauf, dass sie etwas sagte, und als sie nichts sagte, ging ich zu ihr und stellte mich neben sie. Sie hatte die Lippen zusammengepresst, ihre Augen spähten in die Nacht. Sie hielt das Bild fest umklammert, aber ihr Arm hing schlaff herunter.
    Es dauerte eine ganze Minute, bis sie ihn bewegte und das Bild hoch nahm, so dass wir es ansehen konnten.
    »Hinten drauf steht ›Tiburon, S. C.‹«, sagte ich.
    Augusta drehte es um. »Das muss Deborah geschrieben haben.« Etwas wie ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Das sähe ihr ähnlich. Sie hatte ein ganzes Album voller Bilder, und sie hat auf jedes Einzelne hinten drauf geschrieben, wo es aufgenommen worden war, selbst wenn es ein Foto von ihrem eigenen Haus war.« Sie gab mir das Bild. Ich starrte es an, ließ meine Finger über das Wort »Tiburon« gleiten.
    »Wer hätte das geahnt«, sagte Augusta.
    Wir setzten uns wieder in die Schaukel, wiegten vor und zurück, stießen uns mit den Füßen leicht am Boden ab. Sie starrte vor sich hin. Ihr Träger war bis auf den Ellbogen gerutscht, aber sie schien es nicht zu bemerken.
    June sagte oft, die meisten Leute laden sich mehr auf, als sie tragen können, aber Augusta trägt mehr, als sie sich aufgeladen hat. Wenn Augusta über etwas nachdachte, dann konnte sie sich mitten in einem Gespräch plötzlich in ihre eigene Welt zurückziehen, wo sie die Dinge in ihrem Herzen wog und Sorgen bewältigte, die den meisten

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