Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees
bringen, damit die Bienen die abschließende Säuberung machen konnten. Augusta würde ihre Zargen erst für den Winter einlagern, wenn die Bienen auch den allerletzten Tropfen Honig aus den Waben gesogen hatten. Sie sagte, das sei nötig, weil Honigreste Kakerlaken anzögen. Aber eigentlich glaube ich, es machte ihr einfach Spaß, für ihre Bienen eine große Abschlussparty zu geben und zuzusehen, wie sie sich auf die Zargen stürzten, als hätten sie das Honigparadies entdeckt.
Während der ganzen Zeit, in der wir arbeiteten, machte ich mir Gedanken darüber, wie seltsam Menschen sich benehmen, wenn es um die Liebe geht. Ich selbst zum Beispiel. Mir schien, als würde ich von jeder Stunde mindestens vierzig Minuten an Zach denken, Zach, mit dem ich unmöglich zusammen sein konnte. Ich sagte es mir fünfhundert Mal am Tag vor: Unmöglich. Allerdings ist mir eines klar geworden: Dieses Wort facht die Liebe erst richtig an.
Die erste Nacht so ganz alleine im Honighaus war eigenartig. Ich vermisste Rosaleens Schnarchen so, wie man den Klang von Meeresrauschen vermisst, wenn man einmal daran gewöhnt ist, dabei zu schlafen. Mir war nie bewusst gewesen, wie tröstlich es gewesen war. Die Stille hat ein seltsames, durchdringendes Summen, von dem einem fast das Trommelfell platzen kann.
Ich wusste nicht, lag es an der plötzlichen Leere, der unerträglichen Hitze oder der Tatsache, dass es erst neun Uhr war, aber ich konnte einfach nicht einschlafen, obwohl ich so müde war. Ich zog mein Oberteil und meine Unterwäsche aus und legte mich auf die Laken, die von der Hitze klamm waren. Ich mochte das Gefühl, nackt zu sein. Ich spürte die Laken sanft und schmeichelnd auf meiner Haut, ich fühlte mich frei.
Dann stellte ich mir vor, ich würde ein Auto hören, das in die Einfahrt einbiegt. Ich stellte mir vor, es wäre Zach, und der Gedanke an ihn, daran, wie er da draußen vor dem Honighaus durch die Nacht glitt, ließ meinen Atem schneller gehen.
Ich stand auf und schlüpfte im Dunkeln zum Wandspiegel. Perlendes Mondlicht ergoss sich durch das offene Fenster hinter mir, es fiel auf meine Haut, als wäre ich von einem Heiligenschein umgeben, nicht nur mein Kopf, sondern auch meine Schultern, die Rippen, bis hinunter zu den Beinen. Ich war die Letzte, die einen Heiligenschein verdient hatte, aber ich betrachtete mich von allen Seiten, hob meine Brüste leicht an, besah meine rosabraunen Brustwarzen, die zarte Kurve meiner Taille, jede sanfte, schimmernde Rundung. Es war das erste Mal, dass ich in mir mehr sah als das dürre, kleine Mädchen.
Ich schloss die Augen, und Wellen von Sehnsucht brachen los und durchfuhren mich, und, wie hätte es anders sein können - in der einen Minute träumte ich von Zach, und in der nächsten hungerte ich nach meiner Mutter, stellte mir vor, wie sie meinen Namen rufen würde, wie sie sagen würde: Lily, mein Mädchen, du bist mein Sonnenschein.
Als ich mich zum Fenster drehte, war niemand da. Nicht, dass ich ernsthaft erwartet hatte, jemanden dort zu sehen.
Zwei Tage, nachdem wir uns völlig mit der Ernte des restlichen Honigs verausgabt hatten, erschien Zach mit einem wunderschönen Notizbuch - es hatte einen grünen Umschlag mit Rosenblättern. Er wartete auf mich vor dem rosa Haus. »Das ist für dich«, sagte er. »Damit du anfangen kannst zu schreiben.«
Da wurde mir klar, ich würde niemals einen besseren Freund finden als Zachary Taylor. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und lehnte mich an seine Brust. Er sagte etwas, das wie Wuhu klang, aber eine Sekunde später legte auch er seine Arme um mich, und so standen wir dort, in einer innigen Umarmung. Seine Hände wanderten meinen Rücken auf und ab, bis mir ganz schwindelig wurde.
Schließlich machte er sich los und sagte: »Lily, ich mag dich mehr als jedes andere Mädchen, das ich kenne, aber du musst einfach verstehen, es gibt Leute, die würden Jungens wie mich schon umbringen, weil sie ein Mädchen wie dich nur ansehen.«
Ich konnte mich nicht beherrschen, ich musste sein Gesicht berühren, da an der Stelle, wo sein Grübchen in seine Haut eingekerbt war. »Es tut mir so Leid«, sagte ich.
»Ja, mir auch«, sagte er.
Ich trug das Notizbuch während der folgenden Tage überall mit mir herum. Ich schrieb die ganze Zeit. Als Erstes erfand ich eine Geschichte über Rosaleen, die 40 Kilogramm abgenommen hatte und die so gut aussah, dass niemand sie bei einer Gegenüberstellung erkennen würde. Dann eine über
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