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Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees

Titel: Die Bienenhüterin - The Secret Life of Bees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Monk Kidd
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noch die ganzen nächsten vier Tage Totenwache. Augusta trug Mays Zettel ständig bei sich, er war in eine Tasche oder unter ihren Gürtel gesteckt, wenn sie ein Kleid ohne Taschen anhatte. Ich beobachtete June, sie schien mir stiller, seit Augusta ihr die Standpauke wegen Neil gehalten hatte. Sie war nicht beleidigt. Eher in Gedanken versunken. Ich ertappte sie manchmal dabei, wie sie vor dem Sarg saß und ihre Stirn dagegen lehnte, und mir war klar, dass sie dort nicht nur Abschied von May nahm.
    An einem der Nachmittage gingen Augusta, Zach und ich zu den Stöcken und nahmen die schwarzen Tücher wieder ab. Augusta sagte, wir dürften sie nicht zu lange dort lassen, denn die Bienen hätten sich jede Einzelheit an ihrem Stock eingeprägt, und die Veränderung würde sie orientierungslos werden lassen. Sie würden dann nicht mehr nach Hause finden, meinte sie. Wem sagst du das , dachte ich.
    Die Töchter Mariens kamen jeden Tag vor dem Mittagessen und blieben den ganzen Nachmittag über im Salon und erzählten sich Geschichten über May. Wir weinten ziemlich oft, aber trotzdem schien es mir, dass es uns allmählich etwas leichter fiel, Abschied zu nehmen. Ich hoffte nur, dass es auch May gut ginge.
    Neil war fast genauso oft im Haus wie die Töchter Mariens, und er schien vollkommen verwirrt darüber zu sein, wie June ihn ansah. Sie konnte kaum Cello spielen, denn das hieß ja, sie musste seine Hand loslassen. Um die Wahrheit zu sagen, wir waren fast genauso sehr damit beschäftigt, June und Neil zu beobachten, wie damit, May in ihr nächstes Leben hinüber zu helfen.
     
    Am Nachmittag, als die Männer gekommen waren, um May zur Beerdigung abzuholen, summten Bienen um die Fliegengitter vor den Fenstern herum. Als der Sarg in den Leichenwagen getragen wurde, schwoll das Summen an und ging über in die Farben des späten Nachmittags. Goldgelb. Rot. Ein Hauch von Braun.
    Ich konnte sie selbst auf dem Friedhof noch hören, obwohl wir Meilen weit von dem rosa Haus weg waren, dort auf dem Friedhof der Farbigen mit all den verfallenen Schildern und dem Unkraut. Das Geräusch wehte zu uns herüber, als wir dicht zusammenrückten und zusahen, wie Mays Sarg in die Erde gelassen wurde. Augusta reichte eine Tüte Manna herum, und wir nahmen uns alle eine Hand voll heraus und warfen die Kerne in das Erdloch mit dem Sarg, und meine Ohren waren einzig und allein erfüllt von dem Summen der Bienen.
    In dieser Nacht dann, als ich in meinem Bett im Honighaus lag und die Augen schloss, lief das Summen der Bienen durch meinen ganzen Körper. Durch die ganze Erde. Die Seelen der Verstorbenen fuhren auf.

Eine Honigbiene benötigt bis zu zehn Millionen außerordentlich anstrengender Trachtflüge, nur um genügend Nektar für ein einziges Pfund Honig zu sammeln.
    KAPITEL 11
    Nach Mays Beerdigung hörte Augusta damit auf, Honig zu machen und zu verkaufen, ja selbst mit den Bienenrunden war erst einmal Schluss. Augusta und June nahmen das Essen, das Rosaleen für uns kochte, mit auf ihre Zimmer. Ich sah Augusta kaum noch, außer am Morgen, wenn sie durch den Garten zum Wald ging. Sie winkte mir immer zu, und wenn ich dann zu ihr lief und fragte, wohin sie ging und ob ich mitkommen könnte, lächelte sie nur und sagte, nein, heute nicht, sie trauere noch immer. Manchmal blieb sie sogar über Mittag im Wald.
    Jedes Mal, wenn ich sie sah, überkam mich der Drang, ihr zu sagen: Aber ich muss mit dir sprechen! Das Leben war schon komisch. Ich hatte mich jetzt einen ganzen Monat lang hier herumgedrückt und mich geweigert, Augusta von meiner Mutter zu erzählen, als es so einfach gewesen wäre, und jetzt, wo ich wirklich mit ihr reden musste, jetzt ging es nicht. Man kann ja nicht jemandem, der trauert, auch noch seine eigenen Probleme aufhalsen.
    Ich half Rosaleen ein bisschen in der Küche, aber eigentlich hatte ich jetzt richtig viel Zeit, auf meinem Bett oder einem Gartenstuhl zu liegen und in mein Büchlein zu schreiben. Ich schrieb dort so viele Erinnerungen hinein, dass bald alle Seiten voll waren.
    Es überraschte mich unheimlich, wie sehr ich unser ganz normales, alltägliches Leben vermisste - die einfachen Dinge, wie Wachs in eine Kerzenform zu gießen oder eine zerbrochene Zarge zu reparieren.
    Nachmittags, wenn Augusta ganz sicher nicht dort war, ging ich selber in den Wald. Ich suchte mir immer einen Baum aus und sagte mir: Wenn jetzt ein Vogel auf einem Ast landet, ehe ich bis zehn gezählt habe, dann ist das ein Zeichen meiner

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