Die Bischöfin von Rom
hörte sie die Peitsche des Fuhrmannes knallen und wurde, als die losgaloppierenden Rösser den Planwagen mit sich fortrissen, fast vom Bock geschleudert. Während sie sich festklammerte, begriff sie, daß Marcus versuchte, das Gefährt zu wenden, um in Richtung auf die Katarakte zu entkommen. Schon hatte sie den Eindruck, es könnte ihm gelingen – als sie plötzlich ein scharfes, widerwärtiges Zischen vernahm.
Der Pfeil bohrte sich in den Hals des Fuhrmannes; schlagartig wurde sein Blick glasig, mit dem nächsten Lidschlag stürzte er vom Wagen.
Mit knapper Not gelang es der jungen Frau, die wegschnellenden Zügel zu packen. Verzweifelt bemühte sie sich, die durchgehenden Pferde zu bändigen und gleichzeitig den fränkischen Kriegern auszuweichen, die ihr den Weg versperren wollten. Haarscharf schoß der Planwagen an einem der Germanen vorbei; der große bärtige Mann schlug mit seiner Streitaxt zu, und die Schneide fetzte einen Splitter aus dem Seitenbrett des Bocks.
Dann gewahrte Branwyn unvermittelt bekannte Gesichter. Die Reiter der Nachhut des Handelszuges sprengten an ihr vorüber, um in den Kampf einzugreifen. Die junge Frau wandte kurz den Kopf; sie sah, wie der Franke, der sie mit dem Beil attackiert hatte, fiel – unmittelbar darauf ertönte ein hartes Krachen.
Das rechte Vorderrad des Gefährts, das gegen einen Felsbrocken geprallt war, brach; über die zerberstende Achse hinweg bohrte sich der Wagenkasten in die Erde. Branwyn wirbelte durch die Luft und landete im groben Geröll nahe des Bachbetts. Als sie aufschlug, durchzuckte ein stechender Schmerz ihren Oberkörper und raubte ihr die Besinnung.
Irgendwann kam sie wieder zu sich. Die Pein in ihrem Leib war dumpfer, pochender Taubheit gewichen; vor ihren Augen waberten rötliche Schleier. Nach einer Weile wurde ihr Blick klarer, und sie erkannte, daß das Gefecht so gut wie beendet war. Offensichtlich hatten die Reiter der Nachhut zusammen mit den Leibwächtern des Kaufherrn, denen der Ausbruch aus der Schlucht gelungen war, den fränkischen Überfall erfolgreich abgewehrt. Soeben flohen die letzten Germanen über den Wildbach, um sich vor den Berittenen, die ihnen nur zögerlich nachsetzten, in Sicherheit zu bringen.
Branwyn machte Anstalten, sich aufzurichten. Sie schaffte es, die Beine anzuziehen, aber als sie sich mit dem rechten Arm abzustützen versuchte, raste abermals eine Schmerzwelle durch ihren Brustkorb und die Schulter. Keuchend wartete sie ab, bis das qualvolle Stechen erneut dem tauben Pochen wich, dann untersuchte sie vorsichtig ihre verletzte Körperseite. Sie stellte fest, daß ihr Kleid unter der Achsel blutdurchtränkt war und sich von dort über das Schlüsselbein bis zum unnatürlich emporstehenden Schultergelenk eine Geschwulst gebildet hatte. Gleich darauf wurde ihr klar, was das bedeutete: Sie hatte sich nicht nur die Schulter ausgerenkt, sondern sich vermutlich mehrere Rippen und dazu das Schlüsselbein gebrochen.
Der Schock ließ sie hilflos aufschluchzen; fast gleichzeitig erinnerte sie sich daran, wie Marcus sterbend vom Planwagen gestürzt war. Um ihr Elend nicht laut herauszuschreien, vergrub sie das Gesicht in der Armbeuge – und so fand sie einer der Maultiertreiber, der jetzt herbeihinkte. Der Mann kniete bei ihr nieder und redete unbeholfen auf sie ein; wenig später vernahm sie Hufschlag und sah Paulinus Lupus, der von einigen seiner Reiter begleitet war, herankommen.
Knapp vor ihr zügelte er den Rapphengst, sprang aus dem Sattel, musterte sie mit zusammengekniffenen Brauen und äußerte: »Du scheinst ernsthaft verletzt zu sein!«
Stöhnend bemühte sich Branwyn, ihm zu erklären, was ihr zugestoßen war; mittendrin unterbrach er sie mit harter Stimme: »Schon gut, ich verstehe. – Und dir ist hoffentlich bewußt, daß du in deinem Zustand die Strapazen des Weitermarsches unmöglich ertragen könntest.«
Die junge Frau starrte ihn erschrocken an, dann fragte sie gepreßt: »Heißt das, du willst mich zusammen mit den übrigen Verwundeten zu dem Dorf zurückbringen, wo wir vergangene Nacht lagerten?«
Der Handelsherr schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht die ganze Karawane umkehren lassen, denn dies würde mich zuviel Zeit kosten. Ebenso ist es mir unmöglich, ein paar Treiber abzustellen, damit sie dich zu der Ansiedlung transportieren, weil ich ohnehin schon drei Männer im Kampf verloren habe und jeden einzelnen Überlebenden bei den Saumtieren mit den wertvollen Waren benötige.«
»Es
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