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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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denen einige jetzt statt der Branntweinvorräte Waren aus der helvetischen Stadt trugen, schicksalsergeben und mit gesenkten Köpfen bergan.
    Am schlimmsten wurde es gegen Mittag, als der Handelszug, während der Pfad zu allem Überfluß auch noch an einem Abgrund entlangführte, in dichten Hochnebel geriet. Branwyn sprang vom Wagen, lief zu den Pferden vor und ergriff das Zaumzeug des rechts angeschirrten Rosses, das auf der Seite der Schlucht ging. Auf diese Weise brachten sie und Marcus das verängstigte Gespann über das gefährliche Wegstück hinweg, aber es dauerte noch bis zur Mitte des Nachmittags, ehe die Wolkendecke allmählich aufriß und die Sicht zuletzt wieder klar wurde.
    Während der folgenden Tage mußten ähnliche Schwierigkeiten gemeistert werden; nur langsam kamen Mensch und Tier auf der sich nach Südosten schlängelnden Paßstraße voran. Gelegentlich schälte sich in der Ferne ein himmelstürmendes Gipfelmassiv aus dem Dunst: der Weiße Berg, wie der Fuhrmann ihn nannte. Die von Schnee und Eis bedeckten Felszinnen stellten die höchste Erhebung zwischen Geneva und Augusta Taurinorum dar, und manchmal befiel Branwyn die irrationale Befürchtung, sie könnten diese gewaltige Barriere niemals überwinden. Doch nach acht anstrengenden Marschtagen passierten sie das Massiv entlang seiner südlichen Abhänge; jenseits dann führte der Saumweg in weiten Serpentinen talwärts. Als sie am Abend ihr Nachtlager aufschlugen, ließ Paulinus Lupus einen Weinschlauch herumgehen und beteuerte, der Rest der Strecke durch die Grajischen Alpen sei nunmehr ein Kinderspiel. Bis Ende September oder allerspätestens in den ersten Oktobertagen werde man die norditalienische Tiefebene erreichen und zuvor in den Bergdörfern noch ausgezeichnete Geschäfte tätigen.
    Was den Handel anging, bestätigte sich die Wahrheit seiner Worte bereits am nächsten Nachmittag, an dem die Karawane zu einer der genannten Ansiedlungen gelangte. Der Kaufherr schlug dort einen größeren Posten Branntwein sowie mehrere seiner vorgeblichen Reliquien los, bekam einen schweren Beutel mit Silber dafür und zechte anschließend mit den wohlhabendsten Bauern bis tief in die Nacht. Das Grölen war selbst noch im Planwagen zu vernehmen, wo Branwyn vergeblich Schlaf zu finden versuchte; dann, als die Müdigkeit sie trotz des Lärms übermannte, wurde sie von bedrohlichen Träumen gequält.
    »Irgendwie habe ich das Gefühl, als würde uns heute etwas Schlimmes zustoßen«, vertraute sich Branwyn nach dem Aufbruch am folgenden Morgen, an dem es einmal mehr nieselte, dem neben ihr auf dem Bock sitzenden Fuhrmann an.
    Marcus wechselte die Zügel von der rechten in die linke Hand, legte ihr den Arm um die Schultern und erwiderte: »Du weißt, wie leicht einen solche Stimmungen in den Bergen überfallen. Gerade wenn das Wetter so trist ist wie heute, kommt es uns vor, als seien wir ringsum von Gefahren umgeben. Aber du wirst sehen, das ändert sich im selben Moment, da der Regen aufhört und die Sonne wieder scheint.«
    Die tröstenden Worte taten der jungen Frau gut. Sie sagte sich, daß der Fuhrmann wohl recht hatte, und als der Himmel am späten Vormittag aufklarte, schwand auch die Erinnerung an ihre Angstträume.
    Zur Mittagsrast hielt der Handelszug an einem Wildbach, der eine Viertelmeile weiter unten über eine Reihe flacher Felsstufen schäumte. Zusammen mit Marcus versorgte Branwyn die Pferde, dann nahmen sie selbst einen Imbiß ein.
    Kurz darauf trotteten die Rösser inmitten der langen Reihe der Saumtiere weiter; die Karawane erreichte die Katarakte, passierte sie auf dem seitlich davon verlaufenden Pfad ohne Zwischenfall und bewegte sich nun auf eine dahinterliegende Schlucht zu. Die junge Frau sah die berittene Vorhut um Paulinus Lupus auf seinem Rapphengst im Eingang der Klamm verschwinden – im selben Moment schrie sie entsetzt auf.
    ***
    Die Franken hatten hinter Steinblöcken und im Gestrüpp links und rechts des Weges gelauert; jetzt griff die Horde mit wildem, blutgierigem Gebrüll an.
    Ein Trupp sperrte die Kluft, in der sich der Kaufherr und seine Leibwächter befanden; die Hauptmacht der Germanen fiel über die schwer bepackten Lasttiere und die Treiber her. Speere und Wurfbeile sausten durch die Luft, Schwerter wurden geschwungen, Dolchklingen blitzten. Branwyn wurde Zeugin, wie unweit von ihr ein Eselstreiber die Fäuste um einen aus seiner Brust ragenden Lanzenschaft krampfte und in die Knie sank. Im gleichen Augenblick

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