Die Bischöfin von Rom
ihn zum zweitmächtigsten Mann des Reiches macht, bestätigt wurde …«
»Julianus?« unterbrach Branwyn. »In der gallischen Stadt Samarobriva, die damals gerade einen Angriff durch fränkische Raubscharen überstanden hatte, lernte ich im Frühling vor vier Jahren einen Militärtribun kennen, der so hieß!«
»Ja, du erzähltest mir einmal davon«, nickte Acacius. »Und ich bin sicher, es handelt sich um ein und denselben Mann. Zu jener Zeit, da du mit ihm zu tun hattest, war er Militärtribun der Nordprovinzen Galliens. Später stieg er noch weiter auf, was allerdings nicht verwundert, da er ein Neffe des Kaisers ist.«
»Darüber ließ er in Samarobriva keinen Ton verlauten«, kam es erstaunt von Branwyn. »Er teilte mir nur mit, daß er in Konstantinopel erzogen worden sei und dort neben der Militärakademie auch eine Philosophenschule besucht habe. Außerdem«, sie lächelte in der Erinnerung daran, »besaß er durchaus poetisches Talent und trug mir sogar eines seiner Gedichte vor.«
»Dann scheint du ihn ja recht gut gekannt zu haben!« In gespielter Eifersucht drohte Acacius ihr mit dem Finger.
»Nicht so, wie du denkst!« beteuerte sie und nahm die Gelegenheit wahr, ihn zu küssen. Nachdem sie sich wieder von ihm gelöst hatte, fuhr sie fort: »Aber ich gebe zu, er beeindruckte mich. Julian hatte etwas Besonderes an sich; etwas sehr Menschliches, wie man es bei einem Feldherrn eigentlich am allerwenigsten erwarten würde.«
»Das ist wohl der Grund, warum seine Soldaten so geschlossen hinter ihm stehen«, erwiderte Acacius. »Und falls er nach Konstantius den Thron besteigt, was zu erwarten ist, nachdem der Kaiser ihn bereits als Augustus akzeptiert hat, würde das Imperium in ihm einen guten und gerechten Herrscher bekommen. Mehr noch: Unter Umständen könnte Flavius Claudius Julianus schon bald gekrönt werden, denn wie aus Konstantinopel verlautet, ist Konstantius leidend und wird vermutlich nicht mehr sehr lange leben.«
Branwyn blickte eine Weile sinnend in die Glut des Kohlebeckens, dann murmelte sie: »In Samarobriva tauschte ich mich mit Julian auch über die Zustände der Kirche hier in Rom aus. Ich hatte dabei den Eindruck, er sei keineswegs ein Freund des Liberius. Er sprach dessen Intoleranz und Machtgier sehr offen an, und das sollte uns doch für die Zukunft hoffen lassen.«
Acacius stimmte ihr zu; gleich darauf verwöhnte er sie von neuem mit seinen Zärtlichkeiten, erst gegen Mitternacht schlief Branwyn glücklich in seinen Armen ein.
Bei Sonnenaufgang machte sie sich auf den Rückweg nach Trans Tiberim, wo die Nachrichten über Flavius Claudius Julianus während der nächsten Tage ebenfalls für Gesprächsstoff sorgten. Anfang November dann wurde ein Erlaß des neunundzwanzigjährigen Kaiserneffen in der Stadt verbreitet: ein Aufruf, den er in seiner Eigenschaft als Augustus und Thronanwärter unterzeichnet hatte und in dem er dringend religiöse Duldsamkeit und vor allem Toleranz des Patriarchats gegenüber Arianern, Juden und Heiden anmahnte.
Bei denen, die seit Liberius' Rückkehr aus der Verbannung unter den Intrigen und Willkürmaßnahmen des Papstes gelitten hatten, löste das Edikt Erleichterung aus. Das Patriarchat hingegen bewies schon wenig später, daß es bei der Durchsetzung seiner Herrschaftsansprüche selbst vor Brandstiftung und Massenmord nicht zurückschreckte.
***
Die Basilika Sancta Maria Maiora war kurz nach dem Jahr 313, in dem Kaiser Konstantin das Christentum zur Staatsreligion erhoben hatte, erbaut worden. Von allem Anfang an hatten sich dort Arianer zu ihren Gottesdiensten versammelt; die Kirche nördlich des Esquilinhügels galt als eines der wichtigsten Zentren dieser Glaubensrichtung in Rom. Deshalb war die große Gemeinde dem Patriarchat schon lange ein Dorn im Auge; mehrmals hatte Liberius versucht, sie ähnlich wie im Fall von Sancta Magdalena zu unterwandern und zu katholisieren. Alle diese Intrigen waren jedoch am entschlossenen Widerstand der arianischen Christen und insbesondere des betagten, aber kämpferischen Presbyters von Sancta Maria Maiora gescheitert – und nun, nachdem Julian sein Toleranzedikt erlassen hatte, schien es so, als hätten die Drangsale ein Ende und könnten die Arianer ihren Glauben wieder unbehindert leben.
In der Basilika nahe des Esquilin wurde das diesjährige Weihnachtsfest aus diesem Grunde mit besonderer Inbrunst gefeiert. Weitere Dankgottesdienste fanden an den folgenden Januarsonntagen statt: sehr gut
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