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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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ähnlich begeistert, und wenig später wurde die von Silvia angeratene Vorgehensweise per einstimmiger Akklamation auch offiziell gebilligt.
    Eigentlich hätte die Presbyterin von Sancta Praxedis nun die Zusammenkunft beenden können. Statt dessen jedoch gab Silvia, nachdem ihre Augen kurz auf Branwyn geruht hatten, eine Erklärung ab, die noch einmal für beträchtliches Aufsehen sorgte. »In Absprache mit meinen Ratgebern im hiesigen Kirchensprengel«, verkündete sie, »habe ich mich entschlossen, nicht für das Bischofsamt zu kandidieren. Weiter werden wir morgen den Gläubigen unserer Pfarrgemeinde empfehlen, auch niemanden sonst von Sancta Praxedis zu nominieren. Vielmehr wollen wir unsere Schwester Theodora von Sancta Maria unterstützen, und ich möchte euch jetzt unsere Entscheidung begründen …«
    Das ist der Grund, warum Silvia mich vor dem Treffen nicht umfassend in ihre Pläne einweihte! schoß es Branwyn durch den Kopf; im nächsten Moment hörte sie die Presbyterin sagen: »Wir befürworten Theodoras Kandidatur, weil sie während der wenigen Jahre ihres Wirkens in Sancta Maria zum Vorbild für viele andere wurde. Immer wieder gehen von ihrer Gemeinde fruchtbare Impulse aus, die auch anderswo großen Segen bringen; nie wies Theodora jemanden ab, der Rat oder Hilfe brauchte. Nicht nur in Trans Tiberim, sondern weit über dieses Stadtviertel hinaus ist sie wegen ihrer humanen, ausgleichenden und humorvollen Art beliebt. Gleichzeitig besitzt sie aber die Kraft, sich dem Bösen entschlossen entgegenzustellen, wie sie beispielsweise vor zweieinhalb Jahren bewies, als sie den betrügerischen Reliquienhändler Paulinus Lupus öffentlich entlarvte …«
    Beifall ertönte; als wieder Ruhe eingekehrt war, fuhr Silvia fort: »Mit ähnlichem Mut, dessen bin ich gewiß, würde eine Bischöfin Theodora dem Patriarchat Widerstand leisten. Sie würde es mit dem ihr eigenen Charisma und ihrer ungewöhnlichen inneren Stärke tun, die sie sich durch die Überwindung äußerst harter Schicksalsschläge erwarb, ehe sie nach Rom kam. Wer, wie ich, die Lebensgeschichte Theodoras kennt, weiß, daß die meisten Menschen an den schweren Prüfungen, die sie zu ertragen hatte, zerbrochen wären. Sie jedoch reifte daran weit über ihr Alter hinaus und wurde wahrhaft zu einem Geschenk Gottes für unsere Stadt. Die göttliche Macht selbst, davon bin ich felsenfest überzeugt, hat sie nach Rom geführt – und es geschah, weil Theodora hier eine ganz besondere Aufgabe erfüllen soll!«
    Der letzte Satz schien seltsam eindringlich im Kirchenschiff nachzuhallen; Branwyn brachte es – ebenso wie die übrigen Anwesenden – zunächst nicht fertig, etwas auf die Worte der Presbyterin von Sancta Praxedis zu erwidern. Einige Herzschläge lang herrschte tiefe Stille; erst als sich die Spannung löste und einige Versammlungsteilnehmer sich ganz offensichtlich anschickten, Silvia in ihrem Anliegen zu unterstützen, stieß Branwyn hervor: »Aber ich bin doch die Jüngste und Unerfahrenste unter euch! Außerdem füllt meine Arbeit in Sancta Maria mich aus, und ich strebe nichts weiter an, als den Menschen dort zu dienen!«
    »Deine Bescheidenheit spricht zusätzlich für dich«, äußerte Silvia mit feinem Lächeln. »Und was deine Jugend sowie deine angebliche Unerfahrenheit angeht, so …«
    »Du wärst eine viel geeignetere Kandidatin!« unterbrach Branwyn sie. »Schließlich kam der Anstoß zur Bischofswahl von dir, und du hast uns eben auch erläutert, wie wir vorgehen müssen. Daher wäre es viel besser, wenn du dich um das Amt bewerben würdest und wir von Sancta Maria dich unterstützten.«
    »Ich glaube nicht, daß dies im Sinne deiner Gemeindemitglieder wäre!« versetzte Silvia.
    »Warum denn nicht?!« entfuhr es Branwyn. Einen Lidschlag später begriff sie, was Silvia gemeint hatte, und fügte hinzu: »Du meinst, weil …«
    »Ja, ich bin völlig sicher, die Gläubigen von Sancta Maria werden niemanden sonst als dich wählen wollen!« bestätigte Silvia.
    »Und sie werden beileibe nicht die einzigen sein!« rief Cloelia. »Dafür lege ich meine Hand ins Feuer!«
    Branwyn öffnete den Mund zu einer Entgegnung, doch Silvia kam ihr zuvor. »Niemand verlangt, daß du meinem Vorschlag sofort zustimmst«, sagte sie. »Selbstverständlich hast du Bedenkzeit, und ich bitte dich nur, dir alles in Ruhe zu überlegen …«
    Wie benommen nickte Branwyn; im nächsten Moment lagen die beiden Frauen sich in den Armen, und mit dieser

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