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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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und erkundigte sich am jenseitigen Abhang bei einer älteren Frau nach der Gasse, deren Namen ihr Acacius einmal genannt hatte. Dort stieß sie auf einen soeben aus einer Taverne torkelnden Angetrunkenen, der ihr lallend erklärte, daß sich das Wohnhaus des Notarius ganz am Ende des Sträßchens befände. Branwyn verharrte sicherheitshalber, bis der Mann außer Sicht war und die Gasse wieder menschenleer dalag; dann huschte sie weiter und stand wenig später vor dem einstöckigen Gebäude, das etwas zurückgesetzt in einem Ziergarten stand.
    Erleichtert bemerkte sie den Lichtschein hinter zweien der Fenster im Erdgeschoß, daneben konnte sie die Eingangstür des Hauses ausmachen. Leise öffnete sie das Gartentor und legte ungefähr ein Dutzend Schritte auf einem Sandweg zurück; als Branwyn in einigem Abstand an den Fenstern vorüberkam, glaubte sie, hinter den Vorhängen die Gestalt ihres Geliebten zu erkennen. Einer spontanen Regung folgend, nahm sie sich vor, ihn zu überraschen; vielleicht würde ihr unverhofftes Auftauchen, über das er sich doch eigentlich freuen mußte, das folgende Gespräch erleichtern.
    Also probierte sie vorsichtig die Türklinke; geräuschlos gab der Riegel nach, und die junge Frau schob sich in den Flur. Zur Linken sah sie einen Lichtstreifen auf die Bodenfliesen fallen; dort mußte das Zimmer sein, in dem Acacius sich aufhielt. Nachdem sie sich ein Stück weiter vorgetastet hatte, bemerkte sie, daß die Tür nur angelehnt war; schon streckte sie die Hand aus, um sie ganz aufzustoßen – plötzlich aber hatte sie das Gefühl, als würde ein eisiger Hauch ihr Rückgrat entlangrieseln.
    ***
    Im Inneren des Raumes, der mit erlesenen Möbeln aus dunklem Ebenholz eingerichtet und in den Schein eines von der Decke hängenden persischen Glaskandelabers getaucht war, drehte der Notarius ruckartig den Kopf und starrte mit zusammengekniffenen Brauen in Richtung der Eingangstür. Für einen Moment sah es so aus, als wollte er sich von seinem Stuhl erheben, doch dann griff er lediglich nach seinem Weinpokal, trank einen Schluck und wandte sich wieder dem Besucher zu, der ihm gegenübersaß.
    Bei diesem Mann handelte sich um einen ungefähr fünfzigjährigen Kleriker in der Robe eines Erzpriesters. Sein Antlitz war hager, seine Gesichtszüge scharf geschnitten; jetzt machte er eine ungeduldige Geste, und Acacius fuhr in seinem soeben unterbrochenen Satz fort.
    »Wie gesagt … die Presbyterin von Sancta Maria bildet sich ein, daß ich sie liebe und eine gemeinsame Zukunft mit ihr anstrebe«, äußerte er mit zynischem Grinsen. »Weil ich ihr außerdem damals, als ich auf sie angesetzt wurde, ein paar hundert Sesterzen zukommen ließ, ist sie felsenfest davon überzeugt, in mir einen Verbündeten gegen den Papst gefunden zu haben. Auch deshalb vertraut sie mir blind, damit habe ich sie in der Hand und kann sie im Interesse des Patriarchats beeinflussen …«
    »Ja, das ist mir alles hinlänglich bekannt«, fiel ihm der Erzpriester ins Wort. »Doch wie willst du hinsichtlich der Bischofswahl konkret vorgehen?«
    »Noch zögert sie und weiß nicht recht, ob sie sich überhaupt zur Kandidatur entschließen soll«, erwiderte Acacius. »Falls sie sich aber dafür entscheidet, werde ich sie genau in diesem Moment in eine ausweglose Situation bringen …«
    »Nämlich?« schnappte der andere.
    Das gemeine Feixen des Notarius verstärkte sich noch. »Indem ich ihr einen Heiratsantrag mache. Ich werde sie bitten, meine Frau zu werden – ihr allerdings gleichzeitig sehr deutlich zu verstehen geben, daß ich um unseres Eheglücks willen von ihr den Verzicht auf die Kandidatur erwarte. Das wird sie unweigerlich in einen fürchterlichen Zwiespalt stürzen, aus dem sie zumindest für einige Wochen keinen Ausweg findet. Sie wird hin und her gerissen sein und weiterhin schwanken, ob sie ihre Bewerbung für das Amt bekanntgeben soll oder nicht. In dieser Situation dann brauchen wir in Rom nur noch zu verbreiten, eine Liebesaffäre mit einem Beamten des Patriarchats – was ja sogar der Wahrheit entspricht – sei der Grund für ihr Zögern. Dadurch wird sie in den Augen der vielen tausend Anhänger, die sie derzeit noch hat, absolut unglaubwürdig werden, und niemand wird sie mehr als Bischöfin haben wollen!«
    »Genial!« rief der Erzpriester aus. »Allerdings läufst du Gefahr, daß sie dir die Augen auskratzt, falls sie dir irgendwann auf die Schliche kommt. Doch ich nehme an, du willst die Affäre mit

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