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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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Erntedankfest.
    Arawn und Jacwb hatten sich darauf geeinigt, es heuer entgegen der rein heidnischen Tradition nicht zu Beginn des achten Sonnenmonats zu feiern, denn das Korn war in diesem Jahr spät zur Reife gekommen, sondern erst dann, wenn die Erntearbeiten tatsächlich beendet sein würden, so wie es christlichem Brauch entsprach. Und nun, da die bis zum Rand gefüllten Krüge in den Rundhäusern verwahrt waren, konnten die letzten Vorbereitungen getroffen werden.
    Lachend und miteinander scherzend schmückten die Frauen die Gebäude um den Dorfanger mit Strohgirlanden und Feldblumen; andere waren mit geheimnisvollen Mienen an den im Freien stehenden Gemeinschaftsbacköfen zugange. Die Kinder flochten kleine Kränze, die im Haar getragen werden konnten, und verschenkten sie aneinander. Die Männer wiederum waren jetzt oftmals dort zu finden, wo die bauchigen Behälter mit dem Metheglyn aufbewahrt wurden. Sie überprüften vorab schon einmal die Qualität des Honigweins, und behaupteten gegenüber ihren Gattinnen, dies sei unabdingbar nötig, damit es später keine Klagen gäbe.
    Kaum war der Anger am folgenden Morgen ins erste Sonnenlicht gebadet, füllte er sich erneut mit Menschen. Alle trugen ihre besten Kleider; manche hatten Musikinstrumente bei sich, und diese Weidenflöten, Bodhran-Trommeln und Fiedeln lockten die Dorfbewohner nun zum Reigentanz. Verschiedene Gruppen von Männern, Frauen und Kindern faßten sich an den Händen und wirbelten jauchzend im Kreis herum. Die Lieder, die dabei gesungen wurden, priesen die Sonne, die Jahr für Jahr ihren Kreislauf durchmaß und in der Fülle ihrer Kraft auch diesmal wieder für eine reiche Ernte gesorgt hatte.
    Nachdem das Fest auf diese ausgelassene Art eröffnet worden war, wurde die Musik getragener und die Stimmung feierlicher. Denn jetzt traten die Hüterinnen der Heiligen Quelle sowie Vater Jacwb, gefolgt von einem Mädchen und einem Knaben, auf den Plan. Die drei Frauen trugen knöchellange Gewänder in den Farben Ceridwens; weiß war Branwyns Kleid, rot das von Kigva und schwarz die Robe Arawns. Die ungefärbten leinenen Überwürfe des christlichen Priesters und seiner Ministranten hingegen waren auf der Brust und am Rücken mit blauen Fischsymbolen bestickt. Mit gemessenen Schritten näherten die Quellhüterinnen sich dem Teich von ihrem Rundhaus her, der Priester und seine kleinen Begleiter kamen aus der entgegengesetzten Richtung heran.
    Am Ufer des Gewässers begegneten sich die beiden Gruppen. Nacheinander umarmten die drei Frauen Jacwb, der ihnen mit dem Friedenskuß dankte. Danach schlossen sie auch die Kinder in die Arme, wobei sie Rücksicht darauf nahmen, daß das Mädchen einen Laib Brot und der Junge einen Krug Met bei sich hatte. Der Honigwein und der große Brotlaib würden später noch eine wichtige Rolle spielen; zunächst jedoch sollte das Danksagungsritual zu Ehren der verschiedenen Gottheiten, denen die Menschen auf der Ynys Vytrin anhingen, vollzogen werden.
    Die Dorfbewohner standen murmelnd im Kreis um die Hüterinnen von Ceridwens Born und den Priester mit seinen Ministranten. Nun geboten drei Schläge auf das Fell einer Bodhran-Trommel Schweigen; augenblicklich trat Stille ein, dann stimmten Arawn, Kigva und Branwyn einen Sprechgesang zum Lob der Dreifachen Göttin an. Sie priesen den Schoß der Erde dafür, daß er im Frühling empfängnisbereit gewesen war; ebenso dankten sie dem sommerlichen Erdmutterleib, in dem die Früchte herangereift waren; zuletzt baten sie die Große Mutter in ihrer dritten Gestalt, den heiligen Keim allen Daseins im Verwelken des Herbstes und im Dunkel des Winters zu behüten, damit im kommenden Frühjahr die Wiedergeburt des jungen Lebens erfolgen konnte.
    Nachdem die Frauen in den weißen, roten und schwarzen Gewändern geendet hatten, trat Vater Jacwb vor. Mit einem warmen Ausdruck in den Augen blickte Branwyn auf ihn und dachte daran, wie sie und der Priester kurz nach dem gemeinsamen Abend im Haus von Dafydds Eltern tatsächlich in den Evangelien nach Übereinstimmung zwischen christlicher und heidnischer Lehre gesucht hatten. Und im nächsten Moment, als Jacwb zu reden begann, wußte sie, daß auch er des damaligen Gesprächs eingedenk gewesen sein mußte, als er seine Predigt für den heutigen Tag vorbereitete.
    »Das Wirken Ceridwens erwächst aus immerwährend bewahrender Liebe zum Dasein – und auch das Leben Jesu war eine einzige, unendlich liebevolle Tat gegenüber seinen Mitmenschen«,

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