Die Bischöfin von Rom
mit jeder einzelnen Gottheit, deren Wesen wir verstehen und annehmen, einer der möglichen Pfade dorthin.«
Im gleichen Moment, da ihr die Worte der greisen Druidin wieder gegenwärtig wurden, begriff Branwyn auch, daß Dylann durch sein Kunstwerk letztlich genau dasselbe ausgedrückt hatte: Tausende unterschiedlicher Mosaikteilchen waren nötig, damit der Ichthys in seiner vollendeten Schönheit strahlen konnte. Und jedes dieser Partikel war gleich wertvoll; hatte nur eines gefehlt, so wäre die Vollkommenheit des Fisches zerstört gewesen …
Mirjams Stimme holte sie in die Realität zurück. »So ist es bis heute geblieben«, wiederholte ihre künftige Schwiegermutter den letzten Satz Jacwbs. »Wir alle leben friedlich auf unserem Eiland zusammen – und Gott gebe, daß sich daran auch in Zukunft nichts ändert!«
»Branwyn, die zusammen mit Kigva und Arawn ihrer Göttin Ceridwen dient, und unser Sohn Dafydd, der im Namen Jesu getauft wurde, sind ein Unterpfand dafür«, erklärte Dylann. Er lächelte seinen Sohn und dessen Braut an und fügte hinzu: »Schon in einem dreiviertel Jahr wird eure Hochzeit stattfinden. Gemeinsam werden Arawn und Vater Jacwb euch an der Heiligen Quelle zusammengeben, und ich kann gar nicht mit Worten ausdrücken, wie sehr ich mich darauf freue!«
»Vor allem wohl deswegen, weil du es nicht mehr erwarten kannst, dein erstes Enkelkind auf dem Schoß zu schaukeln, oder?« neckte ihn Mirjam.
»Eine durchaus angenehme Vorstellung«, gab Dylann schmunzelnd zu. »Besonders wenn es ein Mädchen wird, das so hübsch wie unsere Schwiegertochter ist.«
»Jetzt hört aber auf! Ihr macht Branwyn ja ganz verlegen«, kam es von Dafydd.
»Laß nur!« sagte die junge Frau. »Es ist ganz natürlich, daß deine Eltern sich Enkel wünschen, und wir freuen uns doch auch auf die Kinder, die wir später einmal großziehen werden.«
Dem konnte Dafydd nicht widersprechen; vielmehr begann er nun von einem Sohn zu schwärmen, der ihn zum Fischen begleiten und die Feldarbeit von ihm erlernen würde. Für den Rest des Abends drehte sich die Unterhaltung dann um die Zukunft des Paares, bis Branwyn müde wurde und sich von Dylann, Mirjam und Jacwb verabschiedete.
Dafydd begleitete sie zum anderen Ende der Ansiedlung und nahm sie dort unter der Eibe mit den weit ausladenden Ästen noch einmal in die Arme, ehe er wieder in der Nacht verschwand. Leise schlüpfte die junge Frau durch die Tür des Rundhauses, Arawn und Kigva schlummerten bereits. Wenig später lag auch Branwyn unter ihrer Schafwolldecke und schlief ein. Kurz darauf grollte in der Ferne erneut ein Gewitter und jagten regenschwangere, von Westen kommende Wolken über die Ynys Vytrin hinweg, doch davon bemerkte die Schlafende nichts mehr.
***
Auch während der folgenden Wochen, in denen der Sommer sich allmählich seinem Ende zuneigte, gab es häufige Niederschläge und jäh über das Eiland hereinbrechende Unwetter. Dennoch reiften Hafer und Emmer auf den geschützt liegenden Äckern gut aus, so daß zuletzt eine reiche Ernte eingebracht werden konnte. Tagelang arbeiteten alle Dorfbewohner, die dazu körperlich imstande waren, gemeinsam auf den Feldern: etwa fünfzig Erwachsene und Jugendliche. Sie sichelten das Korn, banden es zu Garben und stellten diese zu kegelförmigen Schobern zusammen. Auch Branwyn und Kigva leisteten ihren Beitrag; Arawn und einige andere alte Frauen kümmerten sich um die Kinder, die noch zu klein waren, um mit anzupacken.
Endlich standen überall auf den Feldbreiten nur noch die Stoppeln und in regelmäßigen Abständen die Feimen. Der Wind trocknete die Ähren in den Schobern; zuletzt konnten Hunderte Traglasten knisternder Garben zu den Häusern gebracht werden. Auf jedem Acker blieb aber ein besonders schönes Kornbüschel als Dank an die Erde und Gabe für die Vögel zurück, so wie es seit Urzeiten in allen von Kelten besiedelten Gegenden üblich war.
Im Verlauf der nächsten Tage droschen die Insulaner das Getreide. Ununterbrochen ertönte auf dem Dorfplatz, in dessen Mitte der flache Süßwasserteich lag, das Pochen der Holzschlegel. In der Luft wirbelten die Spelzen, und die Menschen schaufelten Handvoll um Handvoll der aus den Fruchtständen gelösten Getreidekörner in hüfthohe, mit phantasievollen Mustern bemalte Tonkrüge. Jede Familie legte sich auf diese Weise einen Vorrat an, der ein ganzes Jahr ausreichen mußte, und nachdem auch das geschafft war, freuten sich Jung und Alt auf Lugnasad oder das
Weitere Kostenlose Bücher