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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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Felskluft erreichten. Die drei Frauen hatten die Sakralbrote getragen und legten sie jetzt im Rahmen eines weiteren Rituals zu Ehren der Göttin auf dem Opferstein neben dem aus dem Erdinneren sprudelnden Gewässer nieder. Vater Jacwb ließ es sich nicht nehmen, ebenfalls einige besinnliche Sätze zu sprechen; danach lagerten sich alle an der Quelle. Aus den Tragesäcken, welche die Männer mitgebracht hatten, kamen die verschiedensten Leckerbissen zum Vorschein; bald wurde die Stimmung ausgelassen, und man vergnügte sich schmausend und trinkend weit über die Mittagsstunde hinaus.
    Erst am späten Nachmittag kehrten die Insulaner zur Ansiedlung zurück, um das Erntedankfest mit Tänzen, Wettspielen und anderer Kurzweil zu beschließen. Der Anger hallte von Gelächter, Späßen und fröhlichen Gesängen wider. Branwyn, die nun keine besonderen Pflichten mehr hatte, genoß das Treiben an der Seite Dafydds; bis in die Nacht hinein waren die beiden Verliebten unzertrennlich. Mit strahlenden Augen lag die junge Frau beim Tanz in den Armen des großgewachsenen Mannes, mit dem sie ihr Leben teilen wollte. Dann wieder genossen sie zusammen eine Schale Met und scherzten dabei mit gleichaltrigen Freunden, oder sie feuerten die Burschen an, die ihre Kräfte beim Feldsteinschleudern und Baumstammtragen maßen oder ihre Geschicklichkeit mit den Quoits zeigten: schweren Eisenringen, die aus beträchtlicher Entfernung über kleine, in der Erde steckende Pflöcke geworfen werden mußten. Schließlich, als schon der Mond am Himmel stand, ließen sie den Tag in Gesellschaft von Dafydds Eltern ausklingen; auch Vater Jacwb und seine Ehefrau gesellten sich für eine Weile zu ihnen, bis die Flöten, Bodhran-Trommeln und Fiedeln allmählich verstummten und das Fest endete.
    Unter der Eibe am Dorfrand verabschiedete Branwyn sich von ihrem künftigen Gatten und zog sich ins Rundhaus zurück, das sie mit Arawn und Kigva teilte. Die beiden älteren Frauen waren schon kurz vor ihr heimgekehrt; jetzt, während sie ihre Schlafstätten vorbereiteten, plauderten sie noch und stimmten überein, daß es eine sehr gute Idee gewesen war, Lugnasad diesmal mit dem christlichen Erntedank zu verbinden.
    »Alle, die ich fragte, sprachen sich dafür aus, das auch im nächsten Jahr wieder so zu halten«, sagte Kigva zuletzt – gleich darauf gähnte sie mehrmals hintereinander und steckte damit augenblicklich ihre Gefährtinnen an. Wenig später löschte Arawn die Kienfackeln, dann erfüllte tiefe Stille den heimeligen Raum unter dem Reetdach.
    ***
    Im Traum sah Branwyn die Ynys Vytrin; das andersweltliche Erlebnis, das sie in der Mitte des Sommers auf dem Kap der Lleyn-Halbinsel gehabt hatte, wiederholte sich in allen Einzelheiten.
    Eben noch waren die Konturen der Insel klar zu erkennen gewesen, jetzt ging eine phantastische Veränderung mit ihr vor. Die Ynys Vytrin verwandelte ihre Gestalt; ihr dunkles Gestein schien unter dem Ansturm der Wogen hinwegzuschmelzen, während die Brecher selbst zu feinem, durchscheinendem Nebel wurden. Wiederum einige Herzschläge später verwich die Silhouette des Eilands fast ganz; einzig die höchste Erhebung entzog sich ihrer Auflösung und hing nun entrückt über den Wellen.
    Wie gebannt starrte Branwyn auf die Erscheinung; dann, ganz unvermittelt, war sie weit draußen auf See – und im gleichen Moment öffnete sich das Auge ihres losgelösten Geistes. Bilder wirbelten heran: das Dorf auf der Insel, die ihr so vertrauten Menschen, das Antlitz Dafydds, die Heilige Quelle mit den Haseln und Birken ringsum. Sie wollte sich diesem Frieden hingeben, doch schlagartig zersplitterte die Idylle und wurde eingesaugt von bedrohlicher Finsternis. Am Rand der Schwärze zeigten sich vage Schemen, irrlichterten und gewannen schärfere Umrisse: ein zerklüftetes Gestade weit jenseits des Meeres, geblähte Segel über der Kimmung, die Vordersteven großer Schiffe, welche stampfend durch die Wellen schnitten – direkt auf die Ynys Vytrin zu.
    Schweißgebadet erwachte Branwyn, fuhr auf der Schlafbank hoch; begriff, daß sie sich im Rundhaus befand – und verspürte trotzdem keine Erleichterung. Denn hinter der tiefen Dunkelheit des Raumes schien nach wie vor diese andere, ungleich bedrohlichere Finsternis ihres Angsttraumes zu lauern und sie anspringen zu wollen. In Panik öffnete die junge Frau den Mund, um Arawn und Kigva zu wecken – bevor jedoch ein Laut über ihre Lippen dringen konnte, vernahm sie von weither einen

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