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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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Eingesperrten befand. Obwohl sie im andersweltlichen Spiegel des Borns den Angriff der drei Barbaren auf ihn erschaut hatte, redete sie sich verzweifelt ein, er hätte überlebt. Und auch Kigva war alles andere als gebrechlich; zumindest sie – wenn schon nicht Arawn, Mirjam, Dylann und Jacwb – konnte daher gleichfalls verschont geblieben sein.
    Nachdem Branwyn ihren Plan gefaßt hatte, kroch sie in der Deckung der Ginsterhecke so weit wie möglich von der Weggabelung weg. Sie erreichte einen Felsblock, umrundete ihn und richtete sich auf. Dabei geriet die Lleyn-Halbinsel in ihr Blickfeld – im selben Moment zuckte sie erneut geschockt zusammen. Denn an der Stelle wo Aberdaron lag, stiegen ebenfalls Rauchwolken in den Himmel; auch dort hatten offenbar Piraten gewütet und waren Gebäude in Brand gesteckt worden.
    Mit Tränen in den Augen wandte die junge Frau sich ab und hastete den Pfad entlang, der zur Schlucht mit der Heiligen Quelle führte. Kurz bevor er in die Klamm mündete, kreuzte er eine Verwerfung im Schiefergestein, die sich die Inselflanke hinabzog. Branwyn folgte der Senke, bis diese sich zu einem Kar erweiterte; von dort aus war es nicht mehr weit zu den Klippen. Tief unten brach sich die Brandung; der Wind pfiff hier scharf und jagte die Gischt in langen Fahnen in die schroffen Einschnitte zwischen den Felsbastionen. Branwyn brauchte ihren ganzen Mut, um den Abstieg zu wagen; letztlich überwand sie sich nur, weil sie sich einhämmerte, daß sie es um der Gefangenen willen tun mußte.
    Sie entschied sich für eine schmale Runse am Rand eines etwas zurückgesetzten Riffs, in der sich da und dort herabgerollte Steintrümmer festgeklemmt hatten, und rutschte von einem dieser Brocken zum nächsten. Je tiefer sie kam, desto schlüpfriger wurde der Untergrund; mehrmals geriet sie in Gefahr, den Halt zu verlieren und abzustürzen. Das letzte Stück war besonders steil; zudem wucherten hier schlüpfrige Tangbärte, und der salzige Wasserstaub vernebelte die Sicht. Der jungen Frau blieb nichts anderes übrig, als mit beiden Händen in den nassen Pflanzenvorhang zu greifen und sich so gut wie möglich festzukrallen. Halb fallend, halb gleitend kam sie unten auf dem Geröllstrand an; der Aufprall war so hart, daß sie sich Knie und Ellenbogen zerschrammte.
    Branwyn achtete nicht auf den stechenden Schmerz, sondern raffte sich sofort wieder auf und wich in den Schutz der Runse zurück. Denn der Platz, wo sie sich nun befand, lag nicht weit von der schmalen Bucht entfernt, in welcher die Piratenschiffe vor Anker lagen. Sie begann zu zittern, als sie sich vorstellte, wie dort vorne ein mit Raubkriegern besetztes Boot auftauchte, doch sie durfte ihrer Furcht nicht nachgeben. Der Weg, den sie gewählt hatte, war der einzige, auf dem sie ungesehen zum Dorf gelangen konnte, und sie würde sich zwingen, ihn zu gehen. Zunächst freilich sammelte sie in ihrem Versteck Kraft; dann, gerade als sie aufbrechen wollte, fiel ihr die Fischerhütte ein, in die Dafydd und sie sich einmal vor einem plötzlich einsetzenden Regensturm geflüchtet hatten. Vielleicht finde ich dort etwas, das mir später nützlich sein kann, durchfuhr es sie; der Gedanke bewirkte, daß sie sich nicht mehr ganz so elend fühlte.
    Am Fuß der Klippen entlang kämpfte sie sich weiter. Teils stapfte sie über grobe Strandkiesel, teils mußte sie Tümpel durchwaten oder mit Tang und Pfahlmuscheln bewachsene Felsbarrieren überklettern. Nur ein kleines Stück zu ihrer Rechten rumorten die Brandungswogen über dem Unterwassersockel des Eilands; jedesmal, wenn der siebte Wellenkamm sich dort überschlug, fegte ein Gischtregen heran.
    Endlich erreichte Branwyn den Einschnitt zwischen zwei Riffs, der ihr erstes Ziel war. Der Boden der Kluft stieg zunächst etwa drei Dutzend Schritte steil an, dahinter krümmte sich die Felsspalte und führte auf einen Sockel in der Steilküste. Gegen die See hin lag ein Wall aus Steintrümmern; die rückwärtige Begrenzung des kleinen Plateaus bog sich zu einer Halbhöhle ein, und diesen geschützten Platz hatte einer der Inselfischer mit Hilfe von Schieferplatten und Treibholz zu einem Unterstand ausgebaut.
    Branwyn zog die Türlade beiseite, betrat den dämmerigen Raum – und traute ihren Augen nicht. Denn als sie zusammen mit Dafydd hier Zuflucht gesucht hatte, war die Fischerhütte bis auf einige an den Wänden hängende Netze leer gewesen, doch jetzt beherbergte sie einen Curragh. Das Boot ruhte auf einem niedrigen

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