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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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seinen Triumph, gestikulierte großspurig, bis er plötzlich etwas rief – und sein ausgestreckter Arm genau in die Richtung deutete, wo sich die junge Frau verborgen hielt.
    Branwyns Herzschlag drohte auszusetzen. Es konnte keinen Zweifel daran geben, daß der Raubkrieger sie entdeckt und die anderen auf sie aufmerksam gemacht hatte. Nun starrten bereits alle herüber; der Mann, der sie ausgespäht hatte, sprang zur Erde, um einige rasche Sätze mit dem Anführer der Horde zu wechseln. Dann nickte der Häuptling; mit wildem Geheul, das Branwyn das Blut in den Adern stocken ließ, rannte ein Teil der Galen los.
    In Panik wollte die junge Frau aufspringen und fliehen. Aber ihre Glieder gehorchten ihr nicht; sie konnte nichts anderes tun, als sich zitternd ins Heidekraut unter dem Felsen zu pressen. Aus schreckgeweiteten Augen sah sie die Barbaren näherkommen und erkannte Einzelheiten: grausame Gesichter, flatternde Haarmähnen, blutbefleckte Brünnen, dazu die mörderischen Waffen. Die Schwerter und Äxte, mit denen so viele wehrlose Menschen niedergemetzelt worden waren, und jetzt – nur ein paar Herzschläge noch – würden die Klingen auch sie zerfleischen. Schon roch Branwyn den Schweißdunst, der von den Galen ausströmte; gleich würde man sie packen, sie aus ihrem Versteck zerren und sie abschlachten.
    Hart neben dem Kopf der jungen Frau klirrte Eisen gegen den Stein. Branwyns Hände krampften sich in die Erde, vor Todesangst bebend erwartete sie das Ende.
    Doch es geschah nichts weiter. Es blieb bei dem scharfen Geräusch der Schwertklinge, die gegen den Fels geschrammt war – und dann begriff die junge Frau, daß die Piraten an ihr vorbeigelaufen waren. Nicht auf sie hatten es die Raubkrieger abgesehen; vielmehr drängten sie sich nun an einer Stelle in ungefähr zwanzig Schritten Entfernung zusammen, wo die Klippen turmhoch und fast lotrecht zum Strand hinunter abstürzten.
    »Na, was habe ich euch gesagt? Ist der Platz nicht haargenau richtig?« rief soeben derjenige, welcher den vermeintlichen Angriff auf Branwyns Versteck ausgelöst hatte.
    »Einen besseren könnten wir gar nicht finden!« bestätigte ein anderer.
    »Wir werden einen Riesenspaß haben!« fiel ein dritter ein. Rauh lachte er auf und setzte hinzu: »Los, beeilt euch, damit wir die Vögel fliegen lassen können!«
    Johlend trat das Rudel der Galen den Rückweg zum Anger an. Erneut kamen die Männer ganz nah an den Steinblock heran, unter dem die junge Frau sich verbarg. Abermals begann sie zu zittern, doch auch diesmal schützten sie die dicht wuchernden Pflanzen; ahnungslos liefen die Piraten vorbei. Branwyn empfand trotzdem kaum Erleichterung, denn nach wie vor saß sie hier in der Falle; außerdem fragte sie sich zutiefst beklommen, was die Piraten vorhatten.
    Sie begann es zu ahnen, als die Barbaren sich bei den geschändeten Leichen versammelten und die Pfeile aus den verkrümmten Körpern zogen. Gleich darauf, als die ersten schlaffen Leiber in Branwyns Richtung geschleift wurden, begriff sie alles. Von unsäglichem Schmerz gepeinigt, beobachtete sie, wie die Raubkrieger die Toten zu den Klippen schleppten – und sie dort unter bösartigem Freudengeheul in die Tiefe schleuderten.
    Der Anblick würde Branwyn bis an ihr Lebensende verfolgen; es würde vor allem deswegen so sein, weil sie jetzt unverbrüchliche und damit um so grausamere Gewißheit über das Schicksal derer bekam, die ihr am nächsten gestanden hatten. Sie sah, wie der Leichnam Arawns hochgeschwungen und in den Abgrund geworfen wurde; sie sah Mirjams und Dylanns entstellte Gesichter und ebenso das von Vater Jacwb. Gleich darauf sah sie Kigvas verzerrtes Antlitz; das Antlitz der herzensguten Frau, die beinahe zwanzig Jahre lang ihre Pflegemutter gewesen war. Zuletzt dann, als sie Dafydds blutbesudelten Leib erkannte und die klaffende Schädelwunde, glaubte sie, selbst sterben zu müssen. Immer noch, selbst in ihrer äußersten Verzweiflung, war Hoffnung in ihr gewesen; jetzt hatte sie das Gefühl, ihr eigenes Leben würde dort unten zusammen mit dem Körper des Mannes, den sie so sehr geliebt hatte, zerschmettert werden.
    Der Schockzustand dauerte geraume Zeit; als sie wieder einigermaßen klar zu denken vermochte, wurde ihr bewußt, daß es auf dem Kliff still geworden war. Die Galen hatten sich zum Dorfplatz zurückgezogen, um dort ihre himmelschreiende Schandtat zu feiern und ihr Gelage fortzusetzen. Nach einer Weile schien es unter den Barbaren eine neue

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