Die Bischöfin von Rom
Feuerstelle und fachte die Glut an, um den bereits vorgekochten Eintopf aufzuwärmen. Das Gericht, das mit Nelken, Koriander und Kümmel gewürzt war, schmeckte köstlich; während sie das Essen genossen, erfuhr Branwyn noch so manches über die Geschichte der christlichen Ansiedlung.
Auch später, nachdem die Schüsseln – von denen heute keine zerbrochen wurde – abgeräumt waren, setzte sich das angeregte Gespräch fort. Wie im Flug verstrich darüber der Nachmittag; erst als es in dem gemütlichen Raum langsam dämmerig wurde, dachten die Besucherinnen an den Aufbruch. Saray und ihr Gemahl begleiteten sie nach draußen; Danyell verabschiedete Branwyn mit den Worten: »Du bist uns, ebenso wie Dyara und die übrigen Druidinnen, stets willkommen, und wir hoffen, dich sehr bald wiederzusehen.«
»Das wird bestimmt der Fall sein«, versprach die junge Frau. »Und selbstverständlich seid auch ihr eingeladen, mich im Apfelhain zu besuchen, wann immer ihr wollt.«
Noch einmal umarmten sich alle vier; auf dem Weg durch das Dorf, dessen Bewohner ihnen ganz wie am Morgen freundlich zuwinkten, stellte Dyara fest: »Jetzt haben wir uns dermaßen verplaudert, daß wir gar nicht mehr zu den anderen bedeutenden Orten unser Insel gekommen sind, die ich dir zeigen wollte – so zum Beispiel den besonderen Platz drüben auf dem Festland, von wo aus man bei bestimmten Gelegenheiten die Ynys Avallach über den Wassern schweben sehen kann, oder auch die Sternwarte auf dem Hügel über dem Hafen, die unsere Vorgängerinnen schon vor Jahrhunderten eingerichtet haben, sowie die Heilstätte und die Schule dort in der Nähe. Doch das werden wir bestimmt ein andermal nachholen; wenn du willst, gleich morgen oder übermorgen.«
Begeistert wollte Branwyn zustimmen; mit demselben Lidschlag aber glaubte sie das Antlitz des Barden vor sich zu sehen, deshalb erwiderte sie: »Ich glaube, es ist besser, ich kümmere mich die nächsten Tage um Eolo. Schließlich verdanke ich ihm sehr viel, deshalb möchte ich ihm nicht das Gefühl geben, vernachlässigt zu werden, obwohl ich eigentlich lieber mit dir zusammen wäre …«
Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: »Außerdem muß ich ihm allmählich beibringen, daß ich ihn nicht nach Tintagel begleiten werde, denn eines weiß ich inzwischen genau: Hierher zu euch und nicht nach Kernow wollte mich die Göttin führen!«
Die Mondnacht
Branwyn lag wach und hörte den Wind im Laub der Apfelbäume rauschen. Von der anderen Seite des Raumes vernahm sie gelegentlich einen tiefen Atemzug des schlafenden Barden. Lange hatte sie an diesem Abend, nachdem Dyara und sie in den Hain der Druidinnen zurückgekehrt waren, mit Eolo geredet.
Sie hatte ihm von der christlichen Kirche, dem Dornbaum und dem Priesterehepaar erzählt und dabei mehrmals versucht, das Gespräch auf ihr eigentliches Anliegen zu bringen: auf ihren Wunsch, in Avalon zu bleiben. Doch der Barde hatte es dann immer geschafft, die Unterhaltung wieder in eine andere Richtung zu lenken, so daß es letztlich nicht zu der klärenden Aussprache zwischen ihnen gekommen war.
Jetzt, da sie darüber nachdachte, war sie fast froh über diese Entwicklung. Denn falls Eolo ihr – unwissentlich oder vielleicht auch wissentlich – nicht ausgewichen wäre, hätte sie ihn vermutlich durch ihre rasche Entscheidung, sich von ihm zu trennen, verletzt. Schließlich befanden sie sich, auch wenn ihr selbst die Zeit sehr viel länger erschien, erst den dritten Tag auf der Ynys Avallach. Zumindest er war nach der langen gemeinsamen Wanderung noch nicht zur Ruhe gekommen; das aber war das mindeste, was sie ihm zugestehen mußte, damit er sie am Ende verstehen konnte – und ihre Freundschaft trotz des Unvermeidlichen keinen Schaden erlitt.
Ja, ich werde abwarten, bis er es in seinem Innersten selbst begriffen hat, überlegte sie. Das meinte bestimmt auch Bendigeida vorgestern auf dem Twr, als ich mich ihr anvertraute und sie mir riet, nichts zu überstürzen, sondern den Dingen ihren Lauf zu lassen und auf die Zuneigung zu bauen, die Eolo und mich verbindet. So werde ich es um seinet- und ebenso um meinetwillen halten; sobald dann der geeignete Zeitpunkt da ist werde ich es spüren.
Erleichtert kuschelte sie sich tiefer unter die Wolldecken; gleich darauf wurden ihre Lider schwer, und wenig später war auch sie eingeschlafen.
***
Während der folgenden Tage lernte Eolo Goch, die Insel von Avalon mit den Augen Branwyns zu sehen. Gemeinsam durchstreiften
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