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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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gaben ihr zusätzlich das Gefühl, dem Wesen des Göttlichen näherzukommen – und nicht selten tauschte Branwyn sich darüber mit Saray und Danyell aus, die sie oft besuchte. Immer brachten solche Gespräche ihnen gemeinsamen Gewinn, und stets, wenn sie sich wieder verabschiedete, freute die junge Frau sich auf die nächste Begegnung mit dem aufgeschlossenen und humorvollen Ehepaar. Einmal freilich, als sie das Rundhaus neben der Kirche betrat, merkte sie sofort, daß ihre Freunde bedrückt wirkten, und dasselbe galt für Bendigeida, die an diesem Abend bei ihnen am Tisch saß.
    Nachdem auch Branwyn Platz genommen hatte, fragte sie: »Ist etwas Schlimmes passiert, weil ihr so betroffen ausseht?«
    »Ja, wir haben schlechte Nachrichten erhalten«, bestätigte Saray. »Ein Händler, der heute nachmittag auf der Insel ankam, brachte einen Brief aus Gallien mit, den uns ein dortiger Priester, den wir gut kennen, sandte. Und der Inhalt dieses Schreibens ist so unerfreulich, daß wir Bendigeida baten, es ebenfalls zu lesen …«
    »Wir wollten auch dich verständigen, denn du lebtest bereits auf der Ynys Vytrin mit Getauften zusammen, weshalb dein Urteil uns nicht weniger wichtig ist«, fiel Danyell ein. »Aber leider konnten wir dich nirgendwo finden.«
    »Ich war drüben auf dem Festland, um Heilkräuter zu sammeln«, erklärte Branwyn. »Doch was steht denn nun in jenem Brief?«
    »Unser gallischer Bruder, der kürzlich von einer Romreise heimkehrte, berichtet uns von sehr bedrohlichen Entwicklungen im dortigen Patriarchat«, antwortete Saray leise. »Das Oberhaupt dieser Institution, Papst Liberius, der schon immer ein Feind der geistigen Freiheit war und seine theologische Unduldsamkeit über die barmherzige Lehre Jesu zu stellen pflegt, ist dazu übergegangen, alle Christen, die anders denken als er, gewaltsam zu verfolgen. In Rom wurden von fanatischen Anhängern des Liberius Brandfackeln in Gotteshäuser jener Gemeinden geschleudert, welche sich den päpstlichen Dogmen widersetzen; außerdem kam es zu blutigen Straßenkämpfen zwischen Gruppen von Getauften der einen und der anderen Seite.«
    »Damit noch immer nicht genug, schürt Liberius auch den Haß gegen Juden und Heiden und hat sich darin mit Kaiser Konstantius verbündet«, nahm nunmehr Bendigeida das Wort. »Hier setzt sich eine verderbliche Entwicklung fort, die bereits vor mehr als vierzig Jahren begann. Damals erlangte die römische Kirche den Status einer Staatsreligion, und seither betreibt das Patriarchat zunehmend Machtpolitik mit dem Ziel, sich über alle nichtchristlichen Glaubensrichtungen aufzuwerfen. In vielen Städten des römischen Reiches wurden in letzter Zeit heidnische Tempel und jüdische Bethäuser geschlossen; man entrechtete diejenigen, die sie erbaut hatten und behauptete, dieses Vorgehen erfolge nach dem Gebot des einzig wahren Gottes – nämlich des christlichen.«
    »Aber solcher Wahn steht auf gar keinen Fall mit der Lehre Jesu in Einklang!« erregte sich Branwyn. »Er predigte, daß alle Menschen verständnisvoll und in gegenseitiger Achtung miteinander umgehen sollen. Damit drückte er den tatsächlichen Willen der Götter aus: das Wollen des Adonai und ebenso den Willen der Dreifachen Göttin sowie all der übrigen Gottheiten, die von den unterschiedlichen Völkern dieser Erde erkannt werden.«
    »Richtig!« bekräftigte Saray, während Danyell dazu nickte. »Christlicher Glaube, der im Geiste Jeschus gelebt wird, muß stets tolerant sein und darf sich niemals dazu versteigen, verächtlich auf andere herabzublicken, denn so besagt es das größte und heiligste Vermächtnis des Gekreuzigten: das der Nächstenliebe.«
    »Doch diese Lehre, die sich mit der druidischen von der innigen und gleichwertigen Verflechtung aller Lebensformen berührt, wird von Papst Liberius mit Füßen getreten«, kam es neuerlich von Bendigeida. »Statt im Sinne dessen zu handeln, auf den er sich als Inhaber des höchsten römischen Kirchenamtes beruft, sät er, von bösartiger Herrschsucht getrieben, Zwietracht. Dies aber kann, weil zudem Kaiser Konstantius hinter dem Patriarchat steht, für das gesamte Imperium außerordentlich gefährliche Folgen haben. Getaufte und Ungetaufte gleichermaßen werden, wenn dem Wahnsinn nicht Einhalt geboten wird, fürchterlich unter der Intoleranz des Liberius und seiner Anhänger leiden, und es wird unendlich viel von dem zerstört werden, was Menschen guten Willens aufbauten.«
    »Falls das geschieht, wird das

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