Die Bischöfin von Rom
Nähe sein klares Denken aus. Beglückt empfing er ihre Liebkosungen und vergalt sie ihr mit seinen eigenen; so entdeckten sie einander und trieben zusammen davon, bis sie beide in ein und demselben Augenblick spürten, daß sie völlig füreinander bereit waren. Im Schutz des Dolmen vereinigten sie sich; sie wählten eine Stellung, die ihnen den gemeinsamen Blick auf den vom Licht der Gestirne übergossenen See und die Insel von Avalon erlaubte. Zunächst waren ihre Bewegungen noch verhalten, allmählich steigerten sich ihre Leidenschaft und der Einklang zwischen ihnen; zuletzt, in der äußersten Erfüllung, schien die Mondnacht in goldenem Sprühen zu bersten.
Danach lag die junge Frau geborgen in den Armen des Barden; leise und gelöst sprachen sie miteinander, und die Zärtlichkeiten, die sie nun tauschten, waren jenseits körperlichen Begehrens. Erst als der Mond seinen Weg über das Firmament vollendet hatte, verließen Branwyn und der Mann, mit dem sie Freud und Leid der Wanderung vom Eryri Gwyn bis zur Ynys Avallach geteilt hatte, den Hang, auf dem sich das uralte Steinkammergrab erhob, und ruderten in ihrem kleinen Curragh zurück zur Insel der Druidinnen.
Samhain
Neben dem Menhir auf dem Twr stehend, schaute Branwyn auf den See hinaus: dorthin, wo das winzige Boot seine silberne Spur über das Wasser zog. Obwohl sie sich an diesem Morgen lächelnd voneinander verabschiedet hatten, war die Trennung weder ihr noch dem Barden leichtgefallen. Auch jetzt empfand die junge Frau Wehmut; gleichzeitig war aber das Gefühl in ihr, stärker denn je mit der Insel von Avalon verbunden zu sein. Sie berührte den Hohen Stein, dachte voller Zuneigung an Eolo und harrte still aus, bis der Curragh das Festland erreichte. Im selben Moment, da die Silberspur mit der Uferlinie verschmolz, vernahm sie die Stimme Bendigeidas: »Du hast den richtigen Ort gewählt, um deinem Freund ein Lebewohl nachzusenden. Die Kraft des Twr wird sich mit deinen guten Wünschen für ihn verbinden.«
»Darum habe ich die Göttin soeben gebeten«, antwortete Branwyn. »Sie möge die Wege des Barden ebnen, ihm beistehen, damit er seine Aufgabe erfüllen kann, und ihn zudem sein persönliches Glück finden lassen.«
»So wird es geschehen«, sagte die Pendruid lächelnd. Dann ließ sie sich auf der Erdbank an der Südseite des Menhirs nieder und lud Branwyn mit einer Handbewegung ein, sich neben sie zu setzen.
Eine Weile schwiegen die beiden Frauen, endlich nahm Bendigeida das Gespräch wieder auf: »Als wir uns am Tag nach deiner Ankunft auf der Ynys Avallach hier oben kennenlernten, redeten wir darüber, daß du im Apfelhain Klarheit über deinen künftigen Lebensweg gewinnen solltest. Hast du denn nun schon eine Vorstellung davon?«
»Ich möchte bei dir und den übrigen Druidinnen bleiben«, erwiderte Branwyn. »Erst gestern sandte Ceridwen mir eine Vision, in der ich die über den Nebeln schwebende Insel von Avalon mit der Ynys Vytrin verschmelzen sah, und ich glaube zu wissen, was das bedeutete: Anstelle des Eilandes in Gwynedd, von dem ich fliehen mußte, soll ich das hiesige als meine neue Heimat annehmen.«
»Du erblicktest tatsächlich beide Inseln?« fragte Bendigeida erstaunt. »Das hätte ich nicht erwartet, auch wenn ich mir ziemlich sicher war, du und der Barde würdet Zeugen einer Verwandlung der Ynys Avallach werden, denn die Wetterverhältnisse waren danach. Aber diese andere Erscheinung gibt mir zu denken. Könntest du mir im einzelnen beschreiben, was du erschaut und empfunden hast?«
Branwyn bemühte sich, ihr Erlebnis möglichst genau zu schildern.
Gespannt hörte die Pendruid ihr zu, nachdem die junge Frau geendet hatte, äußerte sie nachdenklich: »Der See, der das Eiland von Avalon behütet, wurde also zum Meer, dessen Wogen weit in der Ferne mit der Kimmung verschmolzen. Das aber könnte heißen …«
Sie brach ab, wirkte plötzlich geistesabwesend und verharrte so, bis Branwyn drängte: »Was könnte es bedeuten?!«
»Vielleicht eine Reise, die du irgendwann antreten wirst«, murmelte Bendigeida. »Doch die Schleier wurden offenbar nur einen Spalt gelüftet; einzig der Weg wurde deutlich, nicht das Ziel …«
»Eine Reise über das Meer?« kam es unsicher von der jüngeren Frau.
»Möglicherweise«, entgegnete die Pendruid. »Aber nicht jetzt, sondern, falls überhaupt, später. Vorerst und gewiß noch für längere Zeit wird die Ynys Avallach deine Heimat sein. Ganz wie du es dir wünschst, wird sie dir
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