Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
Vom Netzwerk:
Grauenhaften, zu dessen Zeugin sie wurde, vermochte Branwyn die Augen nicht abzuwenden. Sie sah, wie die langmähnigen Krieger die römische Front durchbrachen, wie die Schlacht danach hin und her wogte, und wie es den vom Sattel aus fechtenden Legionären zuletzt gelang, ihre Feinde mittels eines unverhofften Manövers zwischen sich und den mittlerweile von Samarobriva bis auf Pfeilschußweite herangerückten Fußtruppen einzukesseln und sie zu Paaren zu treiben. Ein Offizier mit rotem Helmbusch und silberner Rüstung, der einen Rapphengst ritt, hatte an der Spitze seiner Leibwache die entscheidende Attacke eingeleitet. Jetzt, da der Sieg so gut wie errungen war, setzte er zusammen mit seiner Bedeckung einer noch dreißig oder vierzig Lanzen zählenden Horde nach, die es als einzige geschafft hatte, sich der Umzingelung zu entziehen, und nun stromabwärts zu entkommen versuchte.
    Auf der Walstatt selbst legte sich der Kampflärm allmählich; die Römer entwaffneten die gegnerischen Überlebenden und fesselten sie. Andere Legionäre machten sich daran, die verstörten, reiterlosen Rösser einzufangen, oder kümmerten sich um die Verwundeten, die in großer Zahl auf der Erde lagen. Aus ihrem Versteck heraus nahm Branwyn wahr, wie die Soldaten sich über die verkrümmten Leiber beugten – und dieser Anblick ließ sie den eigenen Schock überwinden. Jäh begriff sie, daß es dort drüben Menschen gab, die auf Hilfe angewiesen waren; ohne weiter nachzudenken, lief sie los, erreichte das Schlachtfeld und kniete bei dem ersten Verletzten, auf den sie stieß, nieder.
    Es handelte sich um einen der besiegten Reiterkrieger; einen kaum achtzehnjährigen Burschen mit schulterlangem, dunkelblondem Haar, der besinnungslos in einer Blutlache lag und in dessen Oberschenkel eine tiefe Schwertwunde klaffte. Hastig untersuchte die junge Frau ihn und stellte fest, daß er zudem einen Hieb gegen den Schädel erhalten haben mußte; die Kopfhaut war aufgeplatzt, doch die Verletzung schien im Gegensatz zu der schweren Blessur am Bein nicht sehr gefährlich. In der Hoffnung, der Verwundete würde noch eine Weile ohne Bewußtsein bleiben, löste Branwyn den Leibgurt, der seine Wollhosen zusammenhielt, und legte ihn vorsichtig um den Schenkel oberhalb der doppelt spannenlangen Schnittwunde. Dann zog sie den Ledergürtel so eng wie möglich, um auf diese Weise die Schlagader abzubinden, und tatsächlich kam die starke Blutung fast augenblicklich zum Stillstand.
    Am Sattel eines erstochenen Pferdes ganz in der Nähe fand die junge Frau eine Feldflasche mit Wein. Sie wusch die Schenkelwunde des Blonden aus, riß sodann einen Streifen von seinem Leinenhemd, tränkte den Stoff mit der alkoholischen Flüssigkeit und verband die Blessur so gut wie möglich. Mehr vermochte sie im Moment nicht zu tun; sie nahm sich jedoch vor, später nach einem Arzt zu suchen und ihn herzubringen. Vorerst war es wichtiger, sich um einen römischen Legionär zu kümmern, der ein paar Schritte weiter stöhnend in einer Ackerfurche kauerte. Ein Pfeil, der seinen ledernen Brustpanzer durchbohrt hatte, steckte nahe der rechten Schulter im Oberkörper; als Branwyn herankam, stieß der schon etwas ältere Soldat einige flehende lateinische Worte hervor.
    Sie antwortete in seiner Sprache und bemühte sich, ihn zu beruhigen. Aus der Feldflasche, die sie mitgebracht hatte, gab sie ihm zu trinken; dankbar schluckte er und entspannte sich unter dem Einfluß des Rotweins ein wenig. Nachdem sein Atem regelmäßiger ging, erklärte die junge Frau ihm, was sie tun mußte, um ihm zu helfen, und wartete ab, bis er nickte. Dann hielt sie den Pfeilschaft hart über dem Harnisch mit drei Fingern fest und brach ihn mit der anderen Hand unmittelbar darüber ab. Der Leib des Legionärs bäumte sich auf und erschlaffte wieder, gleich darauf löste Branwyn die Verschnürungen des Brustpanzers. So behutsam wie möglich hob sie ihn ab, zog ihr Messer und schnitt das Untergewand des Römers auf. Sie erkannte, daß der Pfeil zwischen zwei Rippen eingedrungen war; als sie die Stelle betastete, fühlte sie das Ende der eisernen Geschoßspitze.
    Abermals sprach sie mit dem Soldaten und brachte ihn dazu, die immer noch halbvolle Feldflasche ganz zu leeren. Innerhalb kurzer Zeit wurden seine Augen glasig; kaum bemerkte sie diese Veränderung an ihm, handelte die junge Frau schnell und entschlossen. Sie preßte die Messerschneide quer gegen den abgebrochenen Pfeilschaft und zog die ungefähr

Weitere Kostenlose Bücher