Die Bischöfin von Rom
dich daher um deine Hilfe bitten?«
»Selbstverständlich darfst du das«, antwortete Julian. »Am liebsten würde ich dich selbst begleiten, leider habe ich jedoch noch eine Weile hier draußen zu tun. Aber ich kann dir einen meiner Leibwächter mitgeben, der aus Samarobriva stammt und dir deshalb sicher mehr nützen wird als ich. Bevor ich ihn freilich rufe, hätte auch ich eine Bitte …«
»Welche?« fragte Branwyn leise.
»Ich würde dich gerne wiedersehen und mich ausführlicher mit dir austauschen, denn ich finde dich sehr sympathisch«, gestand er. »Viel Zeit bleibt allerdings nicht, da ich in höchstens zwei Tagen mit meinem Heer nach Norden ziehen muß, wo die Franken weitere Ansiedlungen bedrohen.«
»Auch ich könnte es mir schön vorstellen, an einem friedlicheren Ort als diesem hier ein Gespräch mit dir zu führen«, entgegnete die junge Frau.
»Dann komm zum Praefectorium, wann immer du willst«, lud der Tribun sie in herzlichem Tonfall ein. »Der Palast liegt im Stadtzentrum, das vom Feuer verschont blieb; du kannst ihn gar nicht verfehlen.«
Nachdem Branwyn versprochen hatte, sich so bald wie möglich dort einzufinden, rief Julian einen Mann aus seiner Bedeckung heran, der zusammen mit seinen Kameraden eine Schar gefangener Frankenkrieger bewachte, und befahl ihm, der jungen Frau bei der Suche nach dem Priester behilflich zu sein.
Der Legionär nahm Branwyn hinter sich aufs Pferd; während sich das Tier im Schritt der westlichen Torbastion näherte, über die der Wind nach wie vor die dunklen Qualmwolken trieb, berichtete der Soldat, was sich vor dem entscheidenden Gefecht in und jenseits von Samarobriva abgespielt hatte: »Die Franken kamen im Morgengrauen ein Stück oberhalb der Stadt über den Strom, schlichen sich heran und versuchten, die Ostmauer im Handstreich zu stürmen. Glücklicherweise schlugen unsere Wachen gerade noch rechtzeitig Alarm, so daß dieser erste Angriff mit knapper Not abgewehrt werden konnte. Vor allem verdankten wir dies Flavius Claudius Julianus, der mit äußerster Tapferkeit focht. Weil er aber in Samarobriva außer uns Leibwächtern nur eine einzige Hundertschaft zur Verfügung hatte, wurde die Lage immer prekärer. Den ganzen Morgen hindurch unternahmen die Barbaren weitere Sturmangriffe, jetzt vor allem an der Nordmauer, und besetzten schließlich einen der Türme. Dies vergrößerte die Gefahr für uns enorm, und deshalb entschloß sich der Tribun zu einem höchst waghalsigen Unternehmen …«
Der Legionär unterbrach sich, weil das Roß angesichts eines mit Leichen beladenen Karrens scheute; nachdem er das Tier wieder zur Ruhe gebracht hatte, fuhr er fort: »Als die Franken sich bei dem eroberten Mauerturm versammelten, nutzte Julianus die Gelegenheit und galoppierte zusammen mit uns Leibwächtern durch das rasch geöffnete und wieder geschlossene Südtor aus der Stadt. Ehe die Feinde auf uns aufmerksam wurden, hatten wir bereits einen beträchtlichen Vorsprung gewonnen und konnten die wenigen Verfolger, die sich an unsere Fersen hefteten, bald abschütteln. Nach einem scharfen Ritt von ungefähr fünf Meilen erreichten wir das Feldlager, wo der Tribun vor unserem Abstecher nach Samarobriva den größten Teil seines auf dem Marsch nach Norden befindlichen Heeres zurückgelassen hatte. So schnell wie möglich machten diese Hundertschaften sich kampfbereit, dann führte Julianus die geballte Streitmacht der Legionäre zurück zu der belagerten Stadt, wo wir nach einem weiteren Gewaltritt am späten Vormittag anlangten …«
Der Soldat zügelte das Pferd und deutete auf einen Höhenzug, der sich im Südosten zur Flußebene herabzog. »Aus der Deckung dieser Bergflanke heraus griffen wir an, und es war allerhöchste Zeit. Denn mittlerweile hatten die Franken begonnen, von dem eroberten Turm aus Brandpfeile nach Samarobriva hineinzuschießen. An vielen Stellen schwelten die Dächer, und die Verteidiger hatten alle Hände voll zu tun, eine Katastrophe zu verhindern, während die fränkischen Krieger jetzt zum entscheidenden Sturm ansetzten. Aber gleich darauf traf unsere Attacke sie in der Flanke; erbittert tobte die Schlacht unter der Nordmauer, bis der Feind sich im selben Moment, da in der Stadt nun doch eine Feuersbrunst ausbrach, scheinbar zur Flucht entschloß. Wir jagten ihn bis auf die Felder vor dem Westtor, plötzlich jedoch sammelten die Frankenhäuptlinge ihre Horden zum Gegenstoß. Das freilich rettete sie nicht mehr, denn nun vereinigte unser
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