Die Bischöfin von Rom
nachblickte, ertappte sie sich bei dem Wunsch, ihn irgendwann wiederzusehen.
Der Planwagen
Obwohl das Firmament über der weiten Stromniederung von diesigen Wolkenschleiern verhangen war und die Nachmittagssonne nur da und dort durch den graublauen Dunst brach, schien ein seltsames, beinahe andersweltliches Leuchten über dem Land zu liegen.
Weich breitete es sich über die Flußmarschen und die südlich angrenzenden Hänge, wo zwischen Weingärten ein Tempel sowie einige andere große Bauwerke aufragten. Ebenso waren die Gebäude auf der größeren der beiden nahe beieinanderliegenden Inseln in der Strommitte in das warme, diffuse Licht getaucht: ein Palast, abermals ein Säulentempel und steinerne, regelmäßig angeordnete Wohnhäuser. Ein dritter Tempelbau erhob sich auf einem flachen, langgestreckten Hügelrücken nördlich des Flusses; unweit davon spannten sich scheinbar schwerelos die Bögen eines Aquädukts über die Ebene. Auf der kleineren Strominsel schließlich standen dicht an dicht Hunderte von Rundhäusern mit kegelförmigen Reetdächern; weitere derartige keltische Niederlassungen reihten sich entlang der Flußufer aneinander. Fasziniert blickte Branwyn auf Lutetia, nie zuvor hatte sie eine so große Stadt gesehen. Während sie das eindrucksvolle Bild in sich aufnahm, drang die Stimme des grauhaarigen, aber noch rüstigen gallorömischen Fuhrmannes Marcus an ihr Ohr, der neben ihr auf dem Wagenbock saß und die beiden braunen Zugpferde lenkte: »Bereits lange ehe Gallien vor rund vierhundert Jahren von den Römern erobert wurde, gab es hier eine bedeutende keltische Ansiedlung, und im Kampf des legendären Vercingetorix gegen Cäsar war Lutuhezi, wie die Stadt damals noch hieß, ein wichtiges Bollwerk. Die Stämme der hier ansässigen Parisier vermochten achttausend Krieger gegen die Legionen aufzubieten, dennoch unterlagen sie zuletzt. Um einem Sturm Cäsars auf ihre Hauptstadt zuvorzukommen, legten sie selbst Feuer; danach flüchteten sie sich in die umliegenden Sümpfe. Später freilich wurde Lutetia wieder aufgebaut, und seither leben Gallier und Römer, wenn auch in verschiedenen Vierteln, friedlich zusammen.«
Weil die Rösser langsamer wurden, knallte Marcus mit der Peitsche, dann setzte er hinzu: »Wollen wir hoffen, daß es auch in Zukunft so bleibt und die fränkischen Kriegshorden nicht bis hierher vordringen!«
»Du meinst, sie könnten Julian im Norden besiegen?« fragte Branwyn erschrocken.
»Das glaube ich eigentlich nicht, denn der Tribun ist trotz seiner Jugend ein erprobter Feldherr, und seine Soldaten würden sich für ihn in Stücke hauen lassen«, erwiderte der Fuhrmann. Neuerlich ließ er die Peitschenschnur schnalzen, mit dem nächsten Lidschlag zwinkerte er ihr zu. »Du brauchst dir also keine Sorgen um deinen Gönner zu machen.«
»Du weißt, wieviel ich ihm verdanke!« verwahrte Branwyn sich gegen die Anspielung. »Hätte er mir nicht geholfen, so wäre ich gezwungen gewesen, den ganzen Weg von Samarobriva bis hierher zu Fuß zurückzulegen.«
»Und ich hätte einsam auf dem Bock gesessen, statt in den Genuß deiner Gesellschaft zu kommen«, schmunzelte Marcus. »Deshalb sollten wir beide froh über das an Paulinus Lupus gerichtete Empfehlungsschreiben sein, welches Julian dir gab.«
»Ja, es war ein großes Glück, daß der Tribun damals kurz vor seinem Abmarsch Kenntnis von der baldigen Ankunft eures Handelszuges in Samarobriva erlangte und den Kaufherrn in seinem Brief ersuchte, mich bis Italien mitzunehmen«, pflichtete die junge Frau ihm bei. »Auf diese Weise reise ich bedeutend sicherer, als wenn ich allein unterwegs wäre, und da du so reiches Wissen über die Länder besitzt, die wir durchqueren, kann ich zudem eine Menge lernen.«
»In Lutetia, wo wir eine volle Woche bleiben, werde ich dir jedes einzelne Stadtviertel zeigen und dir seine Geschichte erzählen«, versprach der Fuhrmann geschmeichelt. »Doch vorerst müssen wir den Planwagen unbeschädigt zum Flußufer hinunterbringen. Halte dich besser gut fest, denn das letzte Straßenstück ist unbequem!«
Branwyn befolgte seinen guten Rat; gleich darauf beschrieb der nun abschüssig werdende Weg eine weite Kehre, und von hier aus konnte die junge Frau die gesamte Länge der Handelskarawane überschauen.
Ganz an der Spitze ritt ein Trupp von sechs Bewaffneten; sie flankierten den Kaufherrn Paulinus Lupus, der im Sattel eines kräftigen Rapphengst saß. Branwyn hatte den athletischen, etwa
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