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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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eine Menge neuer Eindrücke. Zusammen mit dem Fuhrmann oder auf eigene Faust durchstreifte Branwyn die Stadtviertel mit ihren Tempeln, in denen marmorne Götter- und Kaiserfiguren aufgestellt waren. Zwischen den prunkvollen Bauwerken an den südlichen Stromhängen entdeckte sie ein Forum. Wie Marcus ihr erklärte, fanden dort Volksversammlungen und bei Bedarf auch Gerichtsverhandlungen statt. Unweit davon gab es ein Amphitheater sowie überdachte Thermen, und nach einem Bad in einem der beheizten Bassins fühlte die junge Frau sich wie neugeboren.
    In ihrem Überschwang erstand sie bei einer gallischen Schneiderin einige neue Kleidungsstücke; darunter ein leichter, wunderschön gemusterter Kapuzenmantel, dessen Farben reizvoll mit ihrem rotblonden Haar und den graublauen Augen harmonierten. Sie trug ihn während des Festtages, der das einwöchige Marktreiben abschloß, und konnte sich im Verlauf dieser ausgelassenen Stunden vor Verehrern kaum retten. Sogar Paulinus Lupus, von dem sie bis dahin eher den Eindruck gehabt hatte, er lebe einzig für seine Geschäfte, forderte sie zum Tanz auf und versicherte ihr anschließend bei einem Becher Wein, daß er alles tun werde, um sie heil nach Italien zu bringen.
    Am folgenden Morgen dann zogen der Kaufherr und sein Troß erneut zur Fähre am nördlichen Stromufer. Drüben formierte sich die Karawane in der bewährten Ordnung, und die Tragsättel der Saumtiere waren nun zumeist mit Luxusgütern bepackt, die Paulinus in Lutetia gegen die von der Küste herangeschafften Waren eingehandelt hatte. Wieder rollte der Küchenwagen, unter dessen Abdeckung sich auch Branwyns Schlafstätte befand, inmitten der ungefähr fünfzig Mulis und Lastesel dahin; an der Spitze und am Ende sicherten die Reitertrupps den Zug, und jeden Abend, ehe das Lager aufgeschlagen wurde, durchstreiften einige Bewaffnete die Umgebung, um sich zu vergewissern, daß keine Gefahr drohte.
    Auf diese Weise legte die Handelskarawane die Strecke bis zu der neun Tagesmärsche nordöstlich von Lutetia liegenden Stadt Durocortorum zurück, wo sie Ende Mai eintraf. Auch dort verweilte man einige Zeit; Paulinus Lupus nutzte sie, um abermals vorteilhafte Geschäfte abzuschließen und zudem etliche seiner Reliquien loszuschlagen. Einmal mehr verspürte Branwyn Unbehagen, als sie mitbekam, wie der Großhändler vermoderte Gebeine gegen pures Gold eintauschte. Doch wie bei früheren Gelegenheiten schon schwieg sie; schließlich war sie auf Paulinus' Wohlwollen angewiesen und konnte es sich nicht leisten, ihn herauszufordern.
    Zwei Tagesreisen südlich von Durocortorum erreichten sie einen breiten Strom, dessen Name Marnus lautete. In einer geschützten Bucht dort lag ein Dorf, das von romanisierten Angehörigen des keltischen Stammes der Remer bewohnt war. Die Gallier besaßen Flachkähne, auf denen sie die Reiter, Treiber und Tragtiere des Handelszuges in kleinen Gruppen übersetzten; zuletzt wurde der Planwagen zwischen zwei Booten festgezurrt und gelangte so ebenfalls ans andere Ufer.
    Unter zumeist sonnigem Junihimmel bewegte sich die Karawane anschließend in südöstlicher Richtung durch eine sanfte, beinahe bukolisch wirkende Hügellandschaft. Immer wieder tauchten malerische, von Weingärten umgebene Ansiedlungen auf; die Menschen, die in den Wingerten arbeiteten, waren ausgesprochen freundlich. Wo es größere Dörfer mit Marktplätzen gab, bot Paulinus Lupus seine Waren an, und gewöhnlich wurden an solchen Orten auch Rastpausen eingelegt, um vor allen Dingen den stark beanspruchten Tieren Erholung zu gönnen.
    Eines Nachmittags gegen Ende des genannten Monats erläuterte Marcus seiner Reisegefährtin, daß es sich bei dem Fluß, der soeben in der Ferne sichtbar wurde, um denselben handle, an dem viel weiter abwärts Lutetia läge; man sei also, nachdem man einen weiten Bogen durch Nordgallien geschlagen habe, nunmehr am Oberlauf dieses Stromes angelangt. Noch vor Abend dann stießen sie auf ein ausgedehntes römisches Landgut, dessen Eigentümer, wie wiederum der Fuhrmann wußte, über einige Ecken mit Paulinus Lupus versippt war.
    Während der Planwagen sich der Villa und den verschiedenen Wirtschaftsgebäuden näherte, erzählte Marcus außerdem von der Spezialität, die seit Menschengedenken auf dieser Latifundie im äußersten Südosten des großen Weinanbaugebietes hergestellt wurde: »Einer der Vorfahren des jetzigen Gutsherrn hat eine Methode gefunden, aus gebranntem Rotwein, Kräutern und gewissen

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