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Die Bischöfin von Rom

Die Bischöfin von Rom

Titel: Die Bischöfin von Rom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Böckel
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anderen Ingredienzen ein sehr starkes und bekömmliches Getränk herzustellen. Es hilft bei zahlreichen Gebrechen und ist nicht nur in dieser Gegend sehr gefragt, sondern mehr noch im rauhen Hochgebirge, welches wir gegen Ende des Sommers erreichen werden. Deshalb nimmt Paulinus auf jeder seiner Reisen mehrere Maultierlasten dorthin mit und teilt sich den Profit später mit seinem Verwandten.«
    Die Worte des Fuhrmannes machten Branwyn neugierig auf den geheimnisvollen Trunk. Tatsächlich bekam sie anläßlich eines Gastmahles, zu dem sie am nächsten Tag geladen wurde, ein paar Schlucke zu kosten. Da der Branntwein freilich allzu scharf in ihrer Kehle brannte, fand sie wenig Gefallen an ihm; daß er in bestimmten Fällen jedoch heilsame Wirkung besitzen könnte, gab sie zu, nachdem sie spürte, wie ihr Blut sich erwärmte.
    Die folgende Woche, in der die Saumtiere auf den Koppeln weiden durften, verstrich in ruhigem Gleichmaß. Unter dem Ziegeldach der Villa fand Branwyn Erholung, und um die Gastfreundschaft zu vergelten, kümmerte sie sich häufig um die drei kleinen Kinder des römischen Gutsbesitzersehepaares. Am achten Morgen dann wurden die Mulis und Tragesel von neuem beladen; sechs frische Maultiere, die von der Latifundie selbst stammten, schlossen sich dem Handelszug an. An ihren hölzernen Sattelgestellen hingen jeweils zwei Fässer, in denen zwischen Strohpolstern die Tonkrüge mit dem Branntwein steckten.
    Diese Vorsichtsmaßnahme bewährte sich bestens; keiner der empfindlichen Behälter ging zu Bruch, als die Karawane einen Tagesmarsch östlich des Landgutes in schwer passierbares Gelände kam. Entlang eines steinigen, sich scheinbar regellos windenden Pfades erklommen Mensch und Tier die Flanke eines Mittelgebirgsmassivs. Manchmal, wenn die Kräfte des Gespanns, das den Planwagen zog, nicht mehr ausreichten, mußte Branwyn abspringen und zusammen mit einigen Treibern in die Speichen greifen. Erst gegen Mittag des zweiten Tages war der anstrengende Aufstieg geschafft, und der Blick öffnete sich auf eine spärlich bewachsene und von flachen Bodenwellen gegliederte Hochebene, die sich bis zum Horizont erstreckte.
    Volle zwei Wochen ging es von hier aus ununterbrochen in südöstlicher Richtung weiter. Heideflächen und Buschinseln wechselten einander ab, gelegentlich fristete ein Wäldchen sein Dasein. Einige Male passierte der Kaufmannszug Steinsetzungen, die entweder einzeln für sich auf der Hochfläche aufragten oder zu Kreisen angeordnet waren. Vor langer Zeit mußte die Gegend besiedelt gewesen sein, doch jetzt war sie völlig menschenleer. Nirgendwo existierte eine Ansiedlung; kein Hirte trieb seine Herde vorbei, und kein Jäger zeigte sich, obwohl es, nach den Spuren zu schließen, reichen Wildbestand gab. Jeden Abend wurde das Lager an einem Bachlauf oder bei einer Quelle unter freiem Himmel aufgeschlagen; Paulinus Lupus kannte die geeigneten Plätze. Und er war es auch, der sich am späten Morgen des fünfzehnten Tages in den Steigbügeln seines Rappen aufstellte, auf einen Taleinschnitt wies, der jenseits einer Waldzunge sichtbar wurde, und den ihm Nachfolgenden zurief: »Wir sind fast am Ziel! Dies ist der Paß, der hinunter nach Divio führt!«
    Bis zum frühen Abend hatten sie den Abstieg hinter sich gebracht. Im sinkenden Licht erkannte Branwyn die wuchtigen Mauerzüge eines kleinen Kastells, das am Ausgang des Tales lag; die Häuser eines Vicus schlossen sich an den südlichen Wall an. Als die Karawane herankam, erklang von einem der Ecktürme des Forts ein Trompetensignal; gleich darauf erschienen unter dem Westtor knapp ein Dutzend Reiter und näherten sich dem Kaufmannszug, der jetzt langsam zum Stehen kam, im Galopp.
    Branwyn sah, wie die berittenen Legionäre den Handelsherrn umringten; gleichzeitig erläuterte Marcus ihr feixend: »Es ist jedes Jahr dasselbe. Der Centurio der Festung und seine Unteroffiziere, die Decuriones, lassen es sich nicht nehmen, Paulinus auf diese überschwengliche Weise willkommen zu heißen. Und natürlich hängt das mit dem Branntwein zusammen, auf den sie sehnsüchtig gewartet haben.«
    »Ich dachte eigentlich, dieses besondere Getränk wäre für die Bewohner des Hochgebirges viel weiter im Osten bestimmt, damit sie den rauhen Winter leichter überstehen können«, schmunzelte Branwyn.
    »Nun ja, die meisten Krüge werden auch dorthin gelangen«, erwiderte der Fuhrmann. »Aber eine Maultierlast bleibt eben traditionell schon hier hängen.«
    Kurz

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