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Die Bismarcks

Die Bismarcks

Titel: Die Bismarcks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Thies
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gefährlichen Krisensituationen der Jahre 1885 bis 1887 zu dem Schluss gekommen, für den Notfall eine Juniorpartnerschaft mit dem britischen Empire anzustreben. Aber London sah dazu keine Notwendigkeit, als Herbert von Bismarck im Auftrag seines Vaters im Januar 1889 ein Bündnisangebot unterbreitete. Es interpretierte die »balance of power« anders als Berlin. 63
    Als Bismarck am 29.   März 1890 in einer Kutsche vom Reichskanzlerpalais zum Lehrter Bahnhof fuhr, bebte er vor Zorn. Der Monarch hatte dem Kanzler nicht gestattet, sein Gesicht zu wahren. Man hatte Druck auf ihn und seine Frau ausgeübt, das Regierungspalais in der Wilhelmstraße in aller Hast und überstürzt zu verlassen. Die Begeisterung der Menschenmenge, die die Straßen säumte, schwoll in diesen Augenblicken zu einem patriotischen Chor aus vielen Kehlen an. Als der Zug anfuhr, wurden das Deutschlandlied und die »Wacht am Rhein« angestimmt. Bismarck blieb sich auch in dieser Stunde treu. Für ihn glich der Beginn der letzten Dienstfahrt nach Friedrichsruh »einem Leichenbegräbnis erster Klasse«.
    Kanzler a.   D.
    Die deutsche Öffentlichkeit nahm das politische Ende des Reichskanzlers mit einem bemerkenswerten Gleichmut hin. 64 Die Reaktionen auf Bismarcks Entlassung waren gespalten. Die politischen Gegner im Inland waren erleichtert, sie schwiegen entweder zum Abgang des Reichskanzlers oder teilten sogar bissige Hiebe aus wie beispielsweise Theodor Fontane: »Es ist ein Glück, dass wir ihn los sind.« Dem Ausland war hingegen die historische Dimension von Bismarcks Abschied bewusst. Es blieb dem britischen Karikaturisten John Tenniel vorbehalten, mit einer Zeichnung in der Satirezeitschrift Punch mit der Zeile »Dropping the Pilot« – »Der Lotse geht von Bord« – diese den deutschen Zeitgenossen offenbar nicht vermittelbare Zäsur auf den Punkt zu bringen. Die Daily News schrieb am 19.   März 1890: »Während der letzten 15   Jahre hat der Kanzler sein Bestes getan, um Europa vor dem Ausbruch von Feindseligkeiten zu bewahren.« Weiter ging der Daily Telegraph in seiner Bilanz: Der Rücktritt des »mächtigsten und interessantesten Staatsmannes des 19.   Jahrhunderts« hinterlasse eine Lücke, die der Kaiser nicht werde ausfüllen können, um die Erwartungen der Deutschen zu befriedigen. Die Times kam einige Tage später zu dem Urteil: »Der Kaiser und sein neuer Kanzler haben ein weißes Blatt vor sich, um darauf Geschichte zu schreiben. Die Welt wird begierig sein zu hören, welcher Art die Geschichte sein wird.«
    Die Neue Freie Presse in Wien schrieb: »Das Vertrauen auf die seit zwanzig Jahren begründete Stabilität der europäischen Verhältnisse ist auf eine harte Probe gestellt.« Die Nowoje Wremja in St.   Petersburg teilte ihren Lesern am 19.   März 1890 die Einschätzung mit: »Deutschland mit Bismarck war eine klar zu bestimmenden Größe. Deutschland ohne ihn ist ein Problem, und das ist nicht aus den Augen zu lassen.«
    Selbst in Frankreich wurde Bismarck bei seinem Abgang großer Respekt gezollt. Das Pariser Journal des Débats urteilte am 19.   März 1890: »Die Anwesenheit des Fürsten an der Spitze der deutschen Politik ist eine Garantie des Weltfriedens gewesen.« Und die Zeitung Temps befürchtete nach dem Abschied einer Persönlichkeit, die »eine der hervorragendsten Kräfte geworden war, die sich in unserem bis an die Zähne bewaffneten Europa der Entfesselung jenes furchtbaren Krieges widersetzten, den alle Welt erwartet …«, dass nun alles anders werde, und nicht unbedingt besser. Der französische Botschafter in Berlin, Vicomte de Gontaut-Biron, schrieb in seinen Memoiren über Bismarck: »Beim Anblick dieses Riesen möchte man glauben, einen seiner Ahnen, der Goten, vor sich zu haben.« Ein sehr guter Freund von Herbert von Bismarck, der englische Lord Rosebery, erwarb das Original der Punch -Karikatur und verehrte es dem Exkanzler.
    Angeführt vom Monarchen fragte sich Deutschland nun, ob Bismarck bereit sein würde, die Rolle des »elder statesman« zu spielen, von der politischen Bühne ins Parterre abzusteigen, wie er sich einmal ausdrückte. Die äußeren Voraussetzungen dafür waren gegeben. Bismarck war ein reicher Mann, nach heutigen Maßstäben ein Multimillionär. Dank guter Berater hatte er schon vor den drei deutschen Einigungskriegen ein beträchtliches Vermögen angehäuft. Reich hatten ihn dann die Dotationen der Jahre 1867 und 1871 gemacht. Bereits 1871 hatte seine Frau das

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