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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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nicht >Kommando Ulrich Wessel    »Wer ist denn das?«
    »Der Genosse, der in Stockholm bei der Besetzung der deutschen Botschaft erschossen wurde.«
    »Ich glaube nicht, dass Heinz damit einverstanden ist.« Kerstin stieß sich von der Wand ab.
    »Ich mache dir einen Vorschlag«, sagte sie, »du redest morgen mit dem Genossen Heinz, und ich helfe dir jetzt bei dem Text.«
    »Na gut«, knurrte er.
    Sie trat neben ihn und gab ihm einen leichten Knuff in die Seite.
    »Rück mal ein Stück.«
    Dann saßen sie nebeneinander auf dem Stuhl und dachten sich einen Text aus.
    Als Uwe am nächsten Tag mit Heinz zum Schießstand auf Schmitten Höhe fuhr, erzählte er ihm, dass er den Brief geschrieben
     habe, aber den Namen des Kommandos in »Rote Armee Fraktion Kommando Ulrich Wessel« geändert habe. Er war erleichtert, als
     Genosse Heinz ein kurzes »Meinetwegen« knurrte.

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    7
    Dengler schien es, dass Stuttgart sich des kleinen Viertels schämt, das jenseits der großen mehrspurigen Straße liegt und
     das durch zwei große Parkhäuser, die wie Sichtblenden wirken, vor dem besseren Teil der Stadt versteckt wird.
    Wer die große Hauptstätterstraße beim noblen Kaufhaus Breuninger unterquert, steht auf der anderen Seite im Bohnenviertel
     auf einem kleinen belebten Platz, auf dem Geschäfte getätigt werden, deren Umsätze hinter denen der vornehmen Boutiquen in
     der Eberhardstraße nicht zurückstehen. Hier wird jedoch nicht mit edlem Tuch, sondern mit harten Stoffen gehandelt. Ein vorsichtiges
     Brummen liegt über dem Platz, jederzeit können die Geschäfte abgebrochen werden, sei es durch einen auftauchenden Polizeiwagen
     oder durch einen plötzlichen Regenguss.
    Über mehrere Jahre hatte die Polizei die Junkies der Stadt verfolgt, die sich ursprünglich am oberen Ende der Königstraße
     versammelt hatten, trieb sie auseinander, verteilte Aufenthaltsverbote in der Stadt, fuhr ortsfremde Süchtige außerhalb der
     Stadtgrenzen in den Wald und ließ sie dort wieder laufen. Langsam verlagerte sich die Szene von der Innenstadt in die bürgerlichen
     Viertel und rief die Proteste besorgter und gut betuchter Eltern hervor. Dieses für alle Seiten unangenehme und für die Stadt
     teuere Spiel versuchte der Polizeipräsident zu beenden, indem er öffentlich erklärte, er komme der Drogenszene mit polizeilichen
     Maßnahmen nicht mehr bei. Sofort erhob sich großes Geschrei in der Stadt, und er wurde mehr oder weniger unverhohlen der Komplizenschaft
     mit den Dealern bezichtigt. Die Bürger aus den besseren Vierteln verlangten, die Polizei solle ihnen das Problem der unansehnlichen
     Drogenabhängigen aus den Augen schaffen. Der Polizeipräsident wurde abberufen und erhielt einen Schreibtischjob im Innenministerium.
     Einneuer Polizeipräsident, dem ein noch härterer Ruf vorausging als dem alten, wurde ernannt. Doch war er klug genug zu wissen,
     dass sein Vorgänger Recht hatte – mit der Verfolgung der Drogenabhängigen war das Suchtproblem der Stadt nicht zu lösen. Deshalb
     gestattete er in dem von zwei Parkhäusern abgeschirmten Viertel einen Umschlagplatz für Aufputsch- und Betäubungsmittel aller
     Art.
    Im Bohnenviertel wohnen viele ärmere Menschen, Alte und Ausländer; alles Leute, die nicht über Verbindungen verfügen und von
     denen lauter Protest nicht zu erwarten ist. So regelte sich die Sache.
    Dengler blieb stehen. Die Unterführung lag hinter ihm und gab den Blick auf den Güler Kebab frei, dessen Ladentheke, durch einen grünen Baldachin mehr verunziert als geschmückt, mit einer riesigen Blechschere aus dem
     Erdgeschoss eines vierstöckigen Hauses mit einer braunen Metallfassade herausgeschnitten schien. Die beiden oberen Stockwerke
     trugen deutliche Rostspuren, und die Tag und Nacht heruntergelassenen Rollläden deuteten auf die illegalen Pokerrunden hin,
     in denen eine Truppe türkischer Spieler Deutschen und Griechen viel Geld abnahm. Links daneben drückte sich ein unscheinbarer
     Bau, in dem sich eine Kunstaugenpraxis, eine Import-Export-Firma für Naturhaare und ein Zentrum für ambulantes Operieren befanden.
     Neben einem Outlet-Geschäft, das den ersten Stock in Anspruch nahm, befand sich der 2001-Laden, wie immer gut besucht, in
     dem Dengler die Regale einmal in der Woche nach Blues- und Jazzplatten durchstöberte.
    Dengler beobachtete einen Typ in kariertem Hemd und einer Hose aus derbem dunklen Stoff, der über den Platz schlurfte. In
     der rechten Hand hielt er ein goldenes

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