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Die blaue Liste

Die blaue Liste

Titel: Die blaue Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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Anstrengung, und abends unterdrückte er mit der gleichen Anstrengung den Wunsch, seine Frau
     und seine Töchter anzurufen. Er besuchte Tag für Tag die Wats und Pagoden, Buddhas und Parks, doch er vergaß alles sofort.
     Wie in einem schmerzlichen Taumel durchlebte er die Zeit, bis der Nissan ihn erneut abholte.
    Der Wagen brachte ihn zu demselben Haus, er ging durch den denselben Flur, befand sich dann in demselben Garten und traf denselben
     Mann, der denselben grauen Anzug trug. »Haben Sie die 500 Dollar dabei?«
    Paul Stein nickte.
    Der Mann schob ihm ein Blatt Papier über den Tisch. Stein nahm es und hielt eine Kopie aus dem Urkundsbuch in der Hand, ausgestellt
     von der Stadt Berlin auf den Namen Volker Below.
    »Was soll ich damit?«, fragte er.
    »Damit gehen Sie in vier Tagen auf das deutsche Konsulat. Bangkok ist eine schlimme Stadt. Sie wurden ausgeraubt; alle Ihre
     Papiere sind weg, aber Sie haben glücklicherweise diese Urkunde dabei. Sie werden neue Papiere bekommen. Gültige Papiere.
     Echte Papiere! Besser als aus der besten Fälscherwerkstatt.«
    Und als er den skeptischen Blick Steins sah, lachte er und sagte: »Wir verwenden die gleiche Methode, mit der Geheimdienste
     ihren Leuten eine neue Identität verpassen. Ihre neuen Papiere werden echt sein. Perfekte Legende. Nirgends werden Sie Ärger
     bekommen. Und noch etwas: Verschwinden Sie aus Ihrem guesthouse. Quartieren Sie sich heute noch im Bangkok International ein.
     Unter Ihrem neuen Namen. Als Volker Below. Machen Sie sich keine Sorgen – es ist alles vorbereitet. Sie werden dort ein Zimmer
     bekommen.«
    * * *
    Der Besuch bei der Deutschen Botschaft erstaunte ihn, weil alles so einfach war. Zwei Familien und fünf Rucksacktouristen
     drängten sich im Wartesaal der Botschaft, als er eintrat. Alle waren sie überfallen worden – die Ausbeute einer Nacht. Die
     Beamtin, deren Augenmerk den jungen Reisenden galt, die sie alle für Schnorrer hielt, welche sich hier ein paar Dollar erschleichen
     wollten, schien froh, dass er kein Geld von ihr wollte.
    »Gut, dass Sie Ihre Geburtsurkunde retten konnten«, sagte sie zu ihm. Sie rief im Berliner Rathaus an und erhielt die Bestätigung,
     dass die Urkunde gültig sei; erst vor zwei Wochen habe man sie ausgestellt. Sicherheitshalber rief sie auch die Rezeption
     des Bangkok International an und erfuhr: Volker Below ist hier abgestiegen. Falls sie je Zweifel gehegt hatte, nun waren sie beseitigt.
    Als Paul Stein am Nachmittag die Botschaft verließ, trug er einen neuen Reisepass und einen neuen Personalausweis, ausgestellt
     auf den Namen Volker Below, in der Innentasche seines Jacketts.
    Ein Taxi fuhr ihn im üblichen Schritttempo zum Bangkok International. In seinem Zimmer brach er zusammen. Er lag zwei Tage
     ohne zu essen auf seinem Bett und weinte.
    Am dritten Tag nahm er einen Wagen zum Flughafen Don Muang und flog am gleichen Tag zurück nach Europa.

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    Sixt bot den günstigsten Wagen. Dengler war froh, dass es ein Saab 9 5 war, und freute sich auf die lange Fahrt. Er fuhr den Wagen vorsichtig die enge Wagnerstraße hoch und stoppte vor dem Basta. Olga schien ihn bereits erwartet zu haben. Sie stand mit einer riesigen blauen Reisetasche an der Bar. Sie nahm die Griffe
     in beide Hände und zerrte die Tasche auf die Straße. Aber da erreichte Dengler sie bereits, nahm ihr das Gepäck ab und wuchtete
     es in den Kofferraum.
    Dann rannte er im Laufschritt die Treppe hinauf in seine Wohnung und warf die nötigsten Sachen in den braunen Lederkoffer.
    Reisepass nicht vergessen.
    Einen guten Anzug für das Konzert. Koffer zu und wieder hinunter auf die Straße. Olga saß auf dem Rücksitz. Dengler setzte
     sich ans Steuer und startete den Wagen.
    Mario erwartete sie bereits vor der Haustür seiner Wohnung in der Mozartstraße. Er tänzelte zum Klang einer unhörbaren Musik
     auf dem Bürgersteig und winkte ihnen schon von weitem zu. Dengler hielt neben ihm an. Mario hob einen eleganten Koffer aus
     dunklem Leder in den Kofferraum und schwang eine gelbe Stofftasche, gefüllt mit italienischen CDs und Musikkassetten, auf
     den Rücksitz neben Olga. Eine Kassette zog er aus der Hosentasche und schob sie in das Abspielgerät. Kaum fuhren sie auf der
     Autobahn, sang er lauthals mit.
    Bandiera rossa trionferà,
    bandiera rossa trionferà,
    Bandiera rossa trionferà!
    Evviva comunismo e libertà!
    Er drehte sich zu Olga um und animierte sie zum Mitsingen. Er wiederholte den Text für

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