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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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als ihre ungehinderte Abreise. Und das erlegte nun ihm, Tondo, eine ungeheure Verantwortung auf. Er wußte es, und nur er konnte die anderen überzeugen, zu tun, was notwendig war, notwendig aus Verantwortung vor der Geschichte, der eigenen wie der der Paksi. Nur er – nicht, weil er ein besonders tiefer Denker oder ein sonstwie hervorragender Mensch war, sondern einfach, weil er das nötige Wissen dazu hatte. Also mußte er die natürliche Scheu überwinden, die aus der Erfahrung erwachsen war, daß die Älteren sowieso immer die besseren Argumente hatten. Und plötzlich war ihm klar, daß er, der sich schon lange für erwachsen hielt, eben jetzt, in dieser Stunde, erst wirklich erwachsen wurde, erst die wirkliche und richtige Prüfung des Menschseins abzulegen hatte.
    Aber wie sollte er vorgehen? Sollte er an Hellens Fehler anknüpfen? Die Gesetze erläutern, ihre Wirkungsweise? Ganz allgemein dozieren, was ohnehin jeder wußte? Daß die Gesetze der Gesellschaft sich durch das Handeln ihrer Mitglieder durchsetzen, nicht von selbst? Nein, er mußte sachlich sprechen, zur Sache also und überzeugend, so daß sich Abstraktes mit Sinnfälligem verband.
    Tondo begann leise, fast schüchtern. „Daß die Kolonie eine fortgeschrittenere Gesellschaftsordnung repräsentiert, ist allerdings bis jetzt noch eine Vermutung“, sagte er.
    Hellen sah erstaunt auf. Sie hatte ihrer letzten Äußerung einen sehr abschließenden Ton gegeben, weil sie das Thema auch für durchaus abgeschlossen gehalten hatte. Aber sie fiel ihm nicht ins Wort.
    Tondo fuhr fort: „Wir sind überhaupt in vielen Dingen auf Vermutungen angewiesen. Einiges aber kann man wohl als gesichert betrachten: Es existieren mindestens fünf relativ selbständige Kräfte in dieser Gesellschaft. Der Feudalstaat des Iskatoksi, in sich sicherlich in Klassen und Schichten gespalten. Die Kolonie, die sich in ihrer ökonomischen Struktur offenbar davon abhebt, wenn wir auch noch nicht wissen, in welchem Maße. Die neuen Götter, die anscheinend eine übergreifende, alle Bereiche umfassende Funktion haben. Die Räuber, die wir wohl besser als Rebellen bezeichnen würden.“
    „Und die fünfte Kraft?“ fragte Utta, die mitgezählt hatte.
    „Sind wir.“
    Die anderen schwiegen einen Augenblick erstaunt. Dann sagte Juri: „Was für ein Unsinn? Wir gehören doch nicht zu den Paksi!“
    „Aber wir wirken in ihrer Gesellschaft mit, und zwar kräftig. Mit dem Iskatoksi unterhalten wir Beziehungen, wir haben ihm damit einen Erfolg verschafft, als er mit den Räubern nicht fertig wurde, wißt ihr noch, daß wir das sogar beabsichtigt hatten? Und wir verschaffen ihm die ökonomische Grundlage zur Kriegführung. Mit den neuen Göttern stehen wir in Verhandlungen, sie haben offenbar ein Anliegen an uns, und kein unwichtiges. Die Rebellen im Süden wissen von uns. Und wer wollte behaupten, daß diese Kolonisten im Norden noch nichts von uns gehört haben? Ob wir wollen oder nicht – schon mit dem allerersten Kontakt sind wir zu einem handelnden Faktor dieser Gesellschaft geworden.“
    „Ja, vor allem durch dein Handeln“, sagte Juri ärgerlich, „sonst wären wir jetzt auf dem Heimweg, das wollen wir doch nicht vergessen!“
    „Und durch mein Handeln!“ ergänzte Utta – sie wollte Juris Ausfall etwas entschärfen und merkte gar nicht, daß sie ihn damit nur betonte.
    „Vergessen wollen wir das nicht“, sagte Ming mit milder Zurechtweisung, „aber doch wohl aus diesem Sachzusammenhang heraushalten!“
    „Bitte weiter“, forderte Hellen mit leichter Ungeduld. Ton und Haltung drückten Ablehnung aus, und Tondo war nicht so sehr von sich eingenommen, daß er diese Ablehnung nur auf Juris Einwurf bezogen hätte.
    „Ich sagte: handelnder Faktor. Und wie handeln wir? Wir unterstützen die Kraft, in der wir nach unseren Kenntnissen die reaktionärste vermuten müssen, und…“
    „Eben“, warf Hellen ein, „vermuten!“
    Tondo ließ sich zu einem Ausbruch verleiten. „In diesem Zusammenhang ist mir schon die Vermutung unerträglich!“ rief er aufgebracht.
    „Sollen wir uns danach richten, was du ertragen kannst und was nicht?“ fragte Juri böse. Aber er hatte kein gutes Gefühl dabei, er wußte selbst nicht, was ihn dazu angestachelt hatte, diesen Mißton in die Debatte zu bringen. War es der alte Groll wegen des verpaßten Starts, der all diese für Juri quälenden Verwirrungen ausgelöst hatte, oder war es eine leise Eifersucht darauf, daß Utta Tondos

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