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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Ausführungen mit zunehmendem Interesse folgte, ja, daß sie geradezu an seinen Lippen hing!
    Himmel! dachte Hellen, wann sind eigentlich die Leute früher erwachsen geworden, als sie schon mit fünfzig graue Haare hatten? Aber sie meinte damit nicht nur Juri, der ja etwa in diesem Alter war, sondern ein bißchen auch sich selbst, denn sie war sich plötzlich klar darüber, daß sie Juris Entgleisung provoziert hatte.
    Aber was hatte sie selbst dazu veranlaßt? War sie sich ihrer Position in diesem Meinungsstreit vielleicht doch nicht so sicher, wie sie gedacht hatte? Meldeten sich hier unterdrückte Zweifel?
    „Ich habe mich falsch ausgedrückt“, meinte Tondo nach einer Pause versöhnlich, und diese Versöhnlichkeit, die seine Position stärkte, war nicht gespielt. „Ich meinte eigentlich etwas anderes. Daß wir wie eine mächtige Kraft dieser Gesellschaft wirken, habt ihr nicht bestritten. Gut. Die anderen Kräfte handeln blind, nur ihren engen Interessen folgend. Wir dagegen kennen die gesellschaftlichen Gesetze, und darum, darum haben wir eine viel höhere Verantwortung für die Paksi als sie selbst.“
    Er atmete tief. In diesem Augenblick drängte sich ihm der Vergleich auf zu dem Gespräch mit Raja auf dem Floß, als sie ihre Hypothese aufgestellt hatten. Wie leicht, wie locker waren da die Gedanken gekommen, scheinbar ohne Anstrengung rückten sie wie von selbst zur rechten Zeit an den rechten Platz. Das hier dagegen war Auseinandersetzung, Anstrengung – aber auch angenehm, von einem eigenartigen Genuß begleitet, besonders jetzt, da er das Gefühl hatte, daß das Gespräch auf dem richtigen Wege war.
    Hellen schien durchaus begriffen zu haben, daß ihre Abschlußbemerkung von vorhin widerlegt war. Sie hätte jetzt neue Argumente bringen müssen – sie brachte aber nur die alten.
    „Besteht deiner Ansicht nach die Möglichkeit“, wandte sie sich an Tondo, „daß wir in ein paar Wochen die Struktur dieser Gesellschaft soweit aufdecken können, wie nötig ist, um unsere Handlungen genau richtig anzusetzen und ihre Folgen ganz überblicken zu können?“
    „Nein“, sagte Tondo, „nicht in dem Maße, wie wir das aus unserer Gesellschaft gewohnt sind, wenn wir planen und Entscheidungen vorbereiten. Das ist in der Klassengesellschaft auch gar nicht möglich. Stellt euch zum Beispiel vor: Ein Führer der Unterdrückten. Jahrzehnte eingekerkert. Abgeschnitten von jeder Information. Dann freigekämpft. Kommt aus dem Gefängnis. Wird sofort mit Fragen bestürmt. Muß antworten, kann sich nicht drücken. Und da er ein Führer ist, wird jede Antwort zu einer Entscheidung.“
    Ming schüttelte den Kopf. „Ohne ausreichende Information?
    Ohne die Folgen abzusehen?“ Man konnte direkt hören, wie schon der Gedanke ihn schreckte.
    „Ohne im einzelnen die Folgen abzusehen“, bestätigte Tondo. „Handeln nach einem Prinzip, in der richtigen Richtung. Einzelne Fehler, die dabei auftreten, in der Praxis korrigieren. – Auch wir müssen endlich handeln.“
    „Das mag sein“, sagte Hellen mit seltsam dünner Stimme, „aber das sollten wir trotzdem denen überlassen, die nach uns kommen und besser dafür gerüstet sind.“
    Eine magere Entgegnung, dachte Tondo. Die Entscheidung auf andere schieben… Und dann wurde ihm plötzlich klar, daß Hellen damit stillschweigend die Richtigkeit seiner Argumente anerkannt hatte. Sofort fiel ihm die Antwort ein, die er geben mußte, und er wußte auch schon, daß er sich durchgesetzt hatte. Er sagte: „Und wenn die nächste irdische Expedition die Paksi nicht mehr vorfindet?“
    Mit dieser Frage war es ihm gelungen, alle zu verblüffen. Es war ja auch schlechthin unvorstellbar, daß eine Gesellschaft von der Bildfläche verschwinden, eingehen, zerstört werden oder sich selbst zerstören sollte. Aber er konnte darauf hinweisen, daß auch die Menschheit nach der Entdeckung der Kernkraft hart an der Vernichtung vorbeigegangen war und daß in noch früherer Zeit einzelne Völker wahrscheinlich wirklich untergegangen waren, wie das immer noch rätselhafte Verschwinden der Mayas vermuten ließ. Und er erläuterte die beiden Hauptgefahren, die die Paksi bedrohten, indem sie die Produktion der Hirne gefährdeten: der Kriegszug, der das Reproduktionsschema völlig durcheinanderbringen würde – und an dem die Menschen durch ihre Saphire ungewollt Anteil hatten –, und andererseits die technologischen Schwierigkeiten, die die Götter offenbar hatten und bei denen die Menschen

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