Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
Fragen stellen, wenn ihm etwas der Frage wert erscheine, dachte Tondo an sein Problem mit der blauen Sonne und fragte, warum die Kolonisten eine weiße Sonne trügen.
    Die alte Ordnung, entgegnete Aksit, obwohl sie vielleicht auch einmal vernünftig gewesen sein mochte, habe doch alles Vernünftige in das Gegenteil verkehrt, und die Kolonisten seien bestrebt, überall die Vernunft walten zu lassen. Was aber sei vernünftiger, so fragte er, als die Sonne weiß darzustellen, da jedermann sie doch weiß sehe? Tondo spürte, daß diese Antwort irgend etwas in seinem Innern bewegte, aber er wußte nicht, was, und wollte die Formalität, die diese Begegnung ja war, nicht sinnlos in die Länge ziehen, zumal er sich sagen konnte, daß der Präsident mit viel größerer Spannung dem entgegensah, was Ming ihm mitzuteilen hatte. Er ließ sich deshalb gern der Obhut des Götterboten Topo übergeben, der ihn sogleich zum Heiligtum zu führen versprach.
    Dieses „sogleich“ bedeutete allerdings einen Fußmarsch von einer guten Stunde, aber zu sagen, die Anstrengung wurde reich belohnt, wäre eine haarsträubende Untertreibung. Was Tondo dort gezeigt wurde, brachte ihn so vollständig durcheinander, daß ihn bis zu seiner Rückkehr in das Raumschiff überhaupt nichts mehr interessierte.
    Zunächst erschien ihm das Heiligtum, dem er sich, von Topo geleitet, inmitten einer Schar von Pilgern näherte, als ein großes, unter den Bäumen liegendes Rohr von vielleicht fünf Meter Durchmesser und noch nicht erkennbarer Länge. Als sie näher traten, wollte er es anfassen, aber das war verboten, und wohl auch mit Recht, denn jetzt wurde deutlich, daß es aus einem schon fast vollständig korrodierten Metall bestand, es sah aus, als würde es bei Berührung sofort zerfallen.
    Sie zogen langsam an diesem Rohr entlang und kamen nach etwa vierzig Schritten an sein Ende, ein abgerundetes Schlußteil, an dem kleine Huckel und Unebenheiten erkennen ließen, daß da vor undenklichen Zeiten einmal mehr gewesen sein mußte. Und hier regte sich bei Tondo zum erstenmal ein Verdacht, den er zunächst nicht wahrhaben wollte.
    Auf der anderen Seite gingen sie zurück, es waren etwa hundert Schritte bis zum anderen Ende des Rohres, und diese Seite war interessanter; denn hier war die Fläche nicht überall glatt. Mit jeder Einzelheit, die Tondo wahrnahm, verstärkte sich der ungeheuerliche Verdacht, der schließlich zur Gewißheit wurde, als Tondo den längst erblindeten, aber in der Form vollständig erhaltenen großen Hohlspiegel sah: Das war ein uraltes Raumschiff, wie es in den ersten Jahrtausenden der irdischen Raumfahrt auch gebaut worden war, als man die Gravitation noch nicht beherrschte, ein sogenanntes Photonenraumschiff!
    Aber dann…, aber dann… Mit diesem fast vorsintflutlichen Monstrum konnten doch die Räume zwischen den Galaxien nicht durchquert werden… Und dann war ihre ganze schöne Hypothese, auf die Raja und er so stolz waren, zum Teufel! Zum Teufel! Er wiederholte bei sich diesen altgeschichtlichen Kraftausdruck, so, als könne kräftige Ausdrucksweise sein schwankendes Gedankengebäude noch ein wenig aufrechterhalten.
    Denn das war ja nicht alles. Wenn das ein Raumschiff war und dessen Mannschaft die Paksi geschaffen hatte – dann waren diese Raumfahrer, diese „alten Götter“ keineswegs auf dem technischen Stand der Erbauer jener Kuppel im Süden… Wimmelte es hier plötzlich nur so von fremden Gesellschaften, nachdem man Jahrtausende vergeblich nach dem winzigsten Anzeichen von Brüdern im All gesucht hatte? Das widersprach doch wahrhaftig nicht nur dem gesunden Menschenverstand, das versperrte sich auch jeder wissenschaftlichen Einsicht!
    Tondo war so hilflos, daß er sich auch noch freute, als Topo seine Niedergeschlagenheit für so etwas wie religiöse Ergriffenheit nahm. Eins schien Tondo nun unausweichlich: Nichts von allem würde er klären können in der restlichen Zeit, die ihnen hier noch verblieb, gar nichts!
    „Das ist wie beim Bergsteigen manchmal“, sagte Juri tröstend, als sie zum Raumschiff zurückflogen. Seltsamerweise hatte sich seine Einstellung zu Tondo in letzter Zeit gewandelt; aber eigentlich war das gar nicht so merkwürdig, eher normal, eine Rückkehr zum üblichen, kameradschaftlichen Verhältnis. Hinzu kam die Achtung, die Tondo in seinen Augen dadurch gewonnen hatte, daß er ihnen den richtigen Weg gezeigt hatte. Jetzt, da Tondo so bedrückt war, hatte er jedenfalls das lebhafte Bedürfnis,

Weitere Kostenlose Bücher