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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Privileg, das Übergeordnete gegenüber Untergeordneten genießen, dann ist die Hemmung der Bewegung ein Nachteil, und je krasser, desto mehr. Übrigens empfinden ja auch wir Bewegungshemmung als unangenehm.“
     



„Mag sein, mag sein“, meinte Tondo zerstreut. Er wußte, es gab viele Möglichkeiten, diesen Vorgang zu deuten. Auf der Entwicklungsstufe der menschlichen Gesellschaft, die etwa der Produktionsweise der Roboter entsprach, hatte es die seltsamsten Formen der Beschränkung und sogar von Selbstbeschränkung gegeben, die Utta natürlich nicht kannte: Eremiten, religiöse Verzückungen aller Art, andererseits auch Pranger, Folterung. Er wollte aber Uttas Gedankengang nicht stören. Doch mit seiner unentschiedenen Bemerkung erreichte er nur, daß Utta schwieg.
    Sie sahen beide dasselbe, aber ihre Gedanken gingen ganz unterschiedliche Wege.
    Tondo war als Historiker vorzugsweise Betrachter, Beobachter, und beurteilte einen Vorgang nur ungern, bevor er abgeschlossen war.
    Utta dagegen erfüllte alles, was sie sah, mit Vorstellungen und Empfindungen, spielte jeden Gedanken zu Ende. Wenn sie da so stände… Nach einiger Zeit würden die Glieder anfangen zu schmerzen, dann ist es nicht mehr nur unangenehm, dann tut es weh… Natürlich, Roboter empfinden keinen Schmerz, sie haben gar keine Sensoren dafür, aber war nicht Bewegung ihr Vergnügen, ihre Lust? Ihre einzige wahrscheinlich? Ihnen die Bewegung rauben, das hieß also totales, vollkommenes, absolutes Mißvergnügen. Damit verglichen war ein Schmerz, den ein Mensch empfand, eine vereinzelte, lokale Angelegenheit… Aber dann war das hier ja eine ungeheuerliche Brutalität!
    Uttas Gefühl, eins zu sein mit der ganzen Welt, riß jäh ab. Um so größer war der Zorn, der sie jetzt erfüllte – so groß, daß er sie zu einer sehr unüberlegten Handlung hinriß: Sie sprang auf und lief geradewegs auf den gefesselten Roboter zu. „Utta, halt!“ schrie Tondo. „Bist du verrückt geworden. Kehr sofort um!“
    „Ich schneide ihn los!“ rief Utta und rannte weiter.
    Tondo wollte hinterherlaufen, lief auch ein paar Schritte, erkannte dann aber, daß er Utta nicht mehr an ihrem Vorhaben würde hindern können. Er blieb stehen und sah sich um. Dann ging er ein Stück weiter, damit er den Eingang des Talkessels überblicken konnte.
    „Utta, hörst du mich?“ sprach er ins Helmmikro, „wenn du ihn losgeschnitten hast, komm sofort zurück. Halte dich nicht auf. Hast du gehört?“
    Er hatte so ruhig gesprochen, wie es ihm nur möglich war.
    „In Ordnung“, antwortete Utta keuchend.
    Tondo sah, wie Utta, noch im Laufen, den Strahler aus der Tasche zog und entsicherte. Da hörte er auch, daß der gefesselte Roboter schrille Schreie ausstieß, sehr kräftige mußten das sein, wenn er sie sogar hier vernahm.
    Utta blieb vor dem Roboter stehen und richtete den Strahler auf die Fesseln. Sie fielen ab.
    „Zurück!“ rief Tondo, der an die Reaktion jenes Roboters auf Rajas Annäherung dachte. Aber im selben Augenblick sprang Utta schon von selbst zwei, drei Schritte zurück. Der Roboter rührte sich nicht.
    „Beeil dich“, sagte Tondo ungeduldig. Er blickte sich wieder um. Da kamen einige Weißkittel gelaufen, offenbar die Nachhut der Karawane, die umgekehrt war.
    Utta hatte sie auch gesehen, denn sie setzte sich jetzt in Bewegung. Tondo überschlug die Entfernungen. Wenn die Roboter es darauf anlegten, Utta den Weg abzuschneiden, würde sie es nicht schaffen und womöglich eine neue Unvorsichtigkeit begehen – noch hatte sie den Strahler in der Hand!
    Tondo tat langsam einige Schritte vorwärts, den Robotern entgegen, und rief dann Utta zu: „Lauf, was du kannst, und kümmere dich um nichts. Hast du mich verstanden?“
    „Ja“, hörte er Utta sagen. Sie sah jetzt wohl ein, daß sie einen Fehler gemacht hatte.
    Drei, vier Weißkittel liefen zu dem von seinen Fesseln Befreiten, der immer noch bewegungslos dastand. Die anderen kehrten um und verschwanden hinter einigen niedrigen Felsen. Utta und Tondo beachteten sie anscheinend nicht.
    Später folgte er Utta, sich immer wieder umblickend. Es gefiel ihm nicht, was sie getan hatte. Aber nach dem, was er selbst vorgestern angestellt hatte, fühlte er sich nicht gerade dazu berechtigt, andere lauthals zu tadeln. Außerdem – was war schon geschehen? Die Roboter würden sie sicherlich wieder für Kott halten, für Tiere…
    Aber als er neben Utta im Wagen Platz genommen hatte und startete, sah er im Spiegelsystem

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