Die Bleiche Hand Des Schicksals
einzigartig und anmutig wie ihr Name verhieß. Die großen zweistöckigen Schuhkartons aus Beton beherbergten die meisten der Spezialisten, die am Washington Country Hospital praktizierten. Stillman teilte sich Empfang und Wartezimmer mit drei weiteren Ärzten, und als Clare der Frau hinter der gläsernen Trennscheibe ihren Namen nannte, wurde sie aufgefordert, sofort hineinzugehen.
»Sie haben mich gefunden«, sagte Dr. Stillman und erhob sich von seinem Schreibtisch.
»Nun, Block A fällt eben auf. Wie ich höre, ist das hier in der Stadt eine gute Adresse.«
Er lachte. »Die Blöcke wurden Anfang der Sechziger gebaut. Ich glaube, es war eines dieser Projekte, bei denen man die Öffentlichkeit mit der kreativen Nutzung von Beton in Staunen versetzen wollte.« Er trat zu einem der Regale, die drei Wände des Raums einnahmen, und ließ die Hand über eine Reihe identisch gebundener Bücher ohne Rückenprägung gleiten. »Meinem Großvater zufolge war das Stück Land, auf dem wir uns befinden, in den dreißiger und vierziger Jahren die Krankenhausfarm. Sie lieferte Milch und frische Lebensmittel für die Küche.« Er grinste. »Die Cafeteria wäre vermutlich wesentlich besser, wenn man sie weitergeführt hätte.«
»Sind das die Tagebücher?«
Er zog eins aus dem Regal und reichte es ihr. AMSTERDAM-SCHREIBWAREN-TAGEBUCH 1939 war in Gold auf den Deckel geprägt. »Es waren Werbegeschenke«, sagte Stillman. »Großvater bestellte sein gesamtes Schreibpapier und seine Journale und wer weiß was bei ihnen, und als Dankeschön schickten sie ihm jedes Jahr ein Tagebuch.«
»Wie die alten Werbekalender.«
»Genau.« Er sah wieder zum Regal. »Für welches Jahr interessieren Sie sich?«
»1924. Vielleicht sollte ich 1923 ebenfalls einschließen.« Er nahm zwei Bände, und sie tauschte sie gegen das Tagebuch von 1939. »Und darf ich mir auch 1930 ansehen?« Vielleicht hatte der alte Dr. Stillman etwas zu Jonathon Ketchems Verschwinden zu sagen.
Stillman gab ihr ein drittes Buch. »Wissen Sie«, sagte sie, während sie sie unter den Arm klemmte, »Sie sollten niederlegen, dass Sie sie der Historischen Gesellschaft hinterlassen. Falls Sie doch nicht dazu kommen, sie zu veröffentlichen.«
»Sie haben recht«, erwiderte er. »Mir schaudert, wenn ich mir vorstelle, was mit ihnen passiert, wenn meine Kinder sie in die Finger kriegen. Meine Älteste ist eine sogenannte Künstlerin. Sie würde vermutlich die Seiten herausreißen, um sie in ihren Collagen zu verwenden.«
Clare dankte ihm und versprach noch einmal, gut auf das Werk seines Großvaters aufzupassen. Auf dem Rückweg nach St. Alban’s zur Siebzehn-Uhr-Messe stellte sie die drei Bände zu Hause ab. Sie widerstand der Versuchung, einen raschen Blick hineinzuwerfen, weil sie wusste, dass sie sich vermutlich festlesen und zu spät zum Gottesdienst erscheinen würde.
Bei der Abendmesse waren atemberaubende sieben Besucher, aber sie hatten es offensichtlich genauso eilig, nach Hause zu kommen wie Clare, und nachdem sie den Gottesdienst mit einem Vers aus dem Epheserbrief geschlossen hatte, stoben alle davon, und sie war zum Abendessen zurück im Pfarrhaus.
In der Annahme, dass der Bibliothekar niemals gestattet hätte, beim Lesen alter Bücher Pasta hinunterzuschlingen, nahm sie ihren Teller mit vor den Fernseher und aß in Gesellschaft von Jim Lehrer, der sich nie davon abhalten ließ, die Tagesereignisse zu diskutieren, auch wenn sie Rigatoni kaute.
Nach dem Abwasch zündete sie ein Feuer an, streckte sich auf dem Sofa aus und begann zu lesen.
6. März. S. kalt & regnerisch. Zu Mrs. B. G. zur Entbindung gerufen, im Schlamm steckengeblieben, weil Bach gestiegen, musste letztes Stück laufen. Mr. G. und Mannschaft bargen mein Auto. Mrs. G. von einem Jungen entbunden, 6 Pfd., 5 Unzen, um 6:00 Uhr abends, gute Farbe, kräftige Lungen. Früh zum Essen daheim – Brötchen und Würstchen, Schokoladenkuchen.
7. März. Kalt & regnerisch. Zeitung heute Morgen voller Geschichten über Überflutung des Sacandaga und Hudson. Bei meinen Fahrten oft dasselbe beobachtet. Den Wagen heute in der Garage gelassen und den Pferdewagen angespannt. Praxis: Thomas F. genäht, vier Stiche, sauber & gereinigt. Mrs. James McC. den Kropf entfernt, 12 Unzen, vollständig. Ralph Y., 4 Jahre, Riss im Fuß, mit Alaun behandelt, Mrs. Y. angewiesen, ihn 1 Woche nicht ins Wasser zu lassen. Hausbesuch bei H. McAlistair, Zwillinge, 13 Jahre, entzündeter Rachen, Krupphusten, Fieber, erschwerte
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