Die Bleiche Hand Des Schicksals
dreißig telefoniert seine Frau mit Harlene. Um einundzwanzig Uhr dreißig hat Mark Durkee bereits sein Auto gefunden, das abseits der Straße in die Bäume gekracht ist. Wie passt Mrs. Rouse deiner Meinung nach in dieses Bild?«
»Vielleicht hat sie in seinem Wagen gewartet. Debba Clow hat nie behauptet, sie hätte hineingesehen.«
»Okay, nehmen wir mal an, sie saß im Wagen, wo sie sich den Hintern abfror, während ihr Mann mit Clow über Impfungen plauderte. Clow fuhr davon und ließ Mrs. Rouse mit ihrem Mann zurück.«
»Der sich den Kopf angeschlagen hatte.«
»Was soll sie mit ihm gemacht haben? Selbst wenn sie ihn in den See geworfen und das Auto zu Schrott gefahren hat, um ihre Spuren zu verwischen, wie ist sie dann rechtzeitig nach Hause gekommen, um Harlene anzurufen?«
»Sie hat vom Handy aus telefoniert.«
Russ schnaubte. »Nicht dort draußen.«
»Vielleicht machen sie und Clow gemeinsame Sache.«
»Würdest du Debba Clow vertrauen?«
»Vielleicht ist sie per Anhalter gefahren.«
Russ warf die Hände hoch. »Du gibst nicht auf, oder? Okay, schau dich um. Stell fest, ob sie etwas von der Versicherung zu erwarten hat, ob es einen anderen Mann gibt, das Übliche.«
Lyle ließ das Auto an. »Ich weiß, dass es reine Spekulation ist. Aber etwas stimmte nicht, als sie sagte, sie wüsste gar nichts über die Konten. Das gibt mir zu denken. Meine Ex wusste schon, wenn ich nur das Scheckheft aus der Tasche gezogen habe.«
»Ja, ich weiß, was du meinst. Die meisten unserer Finanzsachen regelt Linda.« Er starrte aus dem Fenster auf die vorbeifliegenden Gärten mit ihren schmelzenden Schneeflecken. Noch ein paar Tage über acht Grad und sie wären fort. Es sei denn, es käme ein Aprilsturm, was nicht auszuschließen war.
»Weißt du, wann der Stewart’s Pond normalerweise eisfrei ist?«, fragte er Lyle.
»Normalerweise in der dritten, vierten Aprilwoche.«
»Glaubst du, dass der See jetzt schon an einigen Stellen offen ist?«
»Natürlich. Deshalb fliegen im März alle nach Florida, weißt du. Weil es nicht genug Eis zum Eisfischen und nicht genug Wasser zum Bootfahren gibt.«
»Wir sollten uns mit der Tauchmannschaft der State Police in Verbindung setzen, mal hören, ob sie die Geschäfte schon wieder aufgenommen haben.«
Lyle sah kurz zu ihm hinüber. »Woran denkst du?«
»Ich denke, dass wir uns an Strohhalme klammern, mit diesem Abklappern von Apotheken und dem Versuch, die Tatsachen an seine Frau anzupassen. Ich glaube, es ist an der Zeit, jemanden runter in den Stewart’s Pond zu schicken. Weil wir Rouses Leiche finden müssen, ehe sämtliche Beweise fortgespült werden.«
30 Donnerstag, 30. März
S ie hatten gemeinsam gebetet, und sie hatte Lauraine Johnson aus dem Evangelium vorgelesen und ihr die Beichte abgenommen. Jetzt breitete Clare das kleine Leinenquadrat über den Nachttisch der alten Frau und arrangierte darauf den silbernen Behälter und die verkorkte Silberflasche. Sie schraubte das Ziborium auf, nahm die Hostie heraus und hielt sie Mrs. Johnson mit beiden Händen entgegen.
»Der Leib unseres Herrn Jesus Christus, der dir gegeben wurde, um Körper und Seele zu bewahren bis ins ewige Leben.« Bei einem ihrer ersten Treffen hatte Mrs. Johnson ihr ein wenig verschämt gestanden, dass sie sich mit der alten Sprache aus den Gebetsbüchern von 1928 am wohlsten fühlte. Und warum auch nicht? Sie war in ihren Sechzigern gewesen, als das neue Gebetbuch für verbindlich erklärt wurde. Die alte Dame versuchte mit den Händen eine Schale zu formen, um die Hostie in Empfang zu nehmen, aber ihr Körper ließ sie im Stich, wie immer in diesen Tagen, und sie konnte sie nicht hoch genug heben.
»Lassen Sie mich.« Clare beugte sich vor und legte ihr die Oblate auf die Zunge. »Nimm und iss«, sagte sie, »im Gedenken, dass Christus für dich starb, und bewahre ihn in deinem Herzen voller Dankbarkeit.«
Sie sprach das Offertorium über dem geweihten Wein und hielt Mrs. Johnson die Flasche an die Lippen. Die alte Frau sank mit geschlossenen Augen in die Kissen zurück, während Clare das Ziborium und die Flasche in sauberes Leinen hüllte und zurück in den kleinen ledernen Koffer packte.
Sie legte Mrs. Johnson die Hand auf die Stirn, nachdem sie eine federleichte silberne Strähne zurückgestrichen hatte. »Ich glaube, Ihnen muss ich nicht sagen, dass Sie in Frieden gehen und den Herrn lieben und ihm dienen sollen.«
Mrs. Johnson lächelte, schlug die Augen aber nicht auf. »Das
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