Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bleiche Hand Des Schicksals

Die Bleiche Hand Des Schicksals

Titel: Die Bleiche Hand Des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
Vom Netzwerk:
werde ich bald genug, ob Sie es mir nun sagen oder nicht.«
    »Ich muss die Messe an Ihrem Krankenbett abkürzen. Sie ermüdet Sie zu sehr. Letzte Woche hat Ihre Pflegerin mich ausgeschimpft.«
    Mrs. Johnson sah sie an. Ihre Augen waren blass, als hätten die vielen Lebensjahre die Farbe herausgewaschen. »Nein. Ich liebe Ihre Besuche.« Sie legte den Kopf auf die Seite. »Wissen Sie, was mir gefällt?« Clare schüttelte den Kopf. »Dass der letzte Priester, der sich auf Erden um mich kümmert, eine Frau ist.« Sie ließ langsam ihre Lider sinken und lächelte. »Die längste Zeit meines Lebens war es Frauen nicht erlaubt, der Gemeinde zu dienen. Sie durften keinem heiligen Orden beitreten, und sie durften nicht an den Versammlungen teilnehmen und zusammen mit den Männern wählen. Ich war in Philadelphia, wissen Sie, als die ersten elf den Bischöfen die Stirn boten, um ordiniert zu werden. Ich war sechsundfünfzig Jahre alt.« Sie schlug die Augen wieder auf. »Wie alt waren Sie?«
    »1974?« Clare lächelte. »Neun.«
    »Sie sind ja jetzt noch ein Kind.« Sie schaffte es, ihre Hand zu bewegen, so dass diese auf Clares Arm ruhte. Clare hatte ihre Albe noch nicht abgelegt, und beide betrachteten den Gegensatz zwischen der alten, dick geäderten Hand und dem zarten weißen Stoff. »Ich habe es immer gewusst.« Mrs. Johnson atmete. Ihre Augen schlossen sich. »Ich wusste immer, dass wir zu mehr gut sind, als Altartücher zu bügeln und Kirchenbasare zu organisieren.«
    Als Clare wenige Minuten später leise aus dem Zimmer trat, schlief die alte Frau. Sie hatte ihre Albe abgestreift und zu einem Ball gerollt. Sie würde knittern, aber Clare konnte unmöglich wie ein Dekan durch das Kirchenschiff durch die Gänge des Krankenhauses segeln. Sie musste das lange weiße Hemd während der Eucharistie nicht tragen, aber Mrs. Johnson gefiel es am besten, wenn alles einem regulären Gottesdienst möglichst ähnlich war. Der sterbenden Frau waren im Leben nur wenige kostbare Freuden geblieben. Hätte es in Clares Macht gestanden, hätte sie die Wände mit Steinen verkleidet und ein Buntglasfenster eingebaut.
    Beim Schwesternzimmer blieb sie stehen. Am frühen Nachmittag war es ruhig. Nur die diensthabende Schwester, die wie wild Berichte in ihren PC tippte, und ein Arzt, in eine Akte versunken. »Sie schläft«, berichtete Clare der Schwester.
    »Gut«, erwiderte die Schwester. Sie sah zu Clare auf, die Finger tippten weiter, als wären sie eher ein Teil des Geräts als ihres Körpers. »Sie muss sich für die Besuchsstunde heute Abend ausruhen.«
    »Wir sehen uns nächste Woche«, verabschiedete sich Clare. »Bitte rufen Sie mich an, falls sie mich braucht.«
    Der Arzt streckte sich. »Dacht ich’s doch. Ich habe Ihre Stimme erkannt.« Er ging auf sie zu. Sie brauchte einen Moment, um ihn einzuordnen; unscheinbare braune Haare, ein angenehmes Gesicht und der allgegenwärtige weiße Kittel trugen zu seiner Anonymität bei.
    Dann erinnerte sie sich. »Dr. Stillman.« Sie klemmte sich ihr Bündel unter den Arm und schüttelte ihm die Hand. »Wie geht es Ihnen? Was machen Sie hier oben?«
    »Eine meiner älteren Patientinnen ist böse gestürzt«, erwiderte er. »Hat sich die Hüfte gebrochen.« Er wies auf Clares Geistlichengewänder. »Schau einer an. Jetzt kann man genau sehen, dass Sie Geistliche sind. Sie waren wesentlich lässiger gekleidet, als Sie Ihren Freund hergebracht haben. Wie geht es ihm?«
    »Ich habe ihn seitdem nicht wieder gesehen«, sagte sie. »Die Untersuchung von Dr. Rouses Verschwinden hält ihn ziemlich auf Trab.«
    Dr. Stillman schüttelte den Kopf. »Schlimme Sache. Man rechnet einfach nicht damit, dass in dieser Gegend so etwas passiert. Besonders nicht einem Mann, der so angesehen ist wie Dr. Rouse. Gott weiß, wie sie in der Klinik ohne ihn auskommen sollen.«
    »Ich will ja nicht klingen wie ein Monty-Python-Sketch, aber noch ist er nicht tot.«
    Dr. Stillman sah sie an. »Wenn Leute mitten im Winter zwei Wochen in den Adirondacks vermisst werden, kehren sie nicht zurück.« Er wies zum Aufzug in der Mitte des Flurs. »Wollen Sie gerade gehen? Ich begleite Sie.« Er kam um den Tresen und ließ sich neben ihr in Gleichschritt fallen. »Ich habe gehört, dass eine Frau bei ihm war, die etwas mit seinem Verschwinden zu tun hat.«
    »Es war eine Frau bei ihm, aber es war nicht so, wie es klingt. Eine ehemalige Patientin von ihm. Oder vielmehr waren ihre Kinder ehemalige Patienten. Sie hatte gegen die

Weitere Kostenlose Bücher